Für einen revolutionären 1. Mai!

Wenn die Herrschenden gesprochen haben,
werden die Beherrschten sprechen.
(Bertolt Brecht, Lob der Dialektik)

Spätestens seit die Gewerkschaften ihn zum konformistischen Würstchenfest verkommen ließen, ist der 1. Mai als historischer „Kampftag der ArbeiterInnenklasse“ etwas aus der Mode gekommen. Er ist bestenfalls ein Symbol, eine Erinnerung an eine scheinbar längst vergangene Tradition der Kämpfe gegen kapitalistische Unterdrückung, Ausbeutung und soziales Elend - eine Erinnerung, die mit dem Verschwinden dieser Kämpfe hierzulande immer schwerer aufrechtzuerhalten ist. Aber mehr denn je ist es wichtig, diesen symbolischen Tag mit Leben zu füllen.

Noch immer leben wir im Elend des Kapitalismus, einer Gesellschaft, die darauf beruht, dass sich wenige auf Kosten vieler bereichern. Ein fast über den gesamten Globus ausgebreitetes Weltsystem, in dem wirtschaftliche Interessen über menschliche Bedürfnisse regieren, und in dem Menschen einander als Konkurrenten und Feinde gegenübertreten. Eine Gesellschaft, die von Entfremdung und sozialer Kälte beherrscht wird, in der Menschen über andere Menschen regieren, und in der die politische Ohnmacht der Individuen durch das Spektakel des Konsums und der medialen Verdummung erstickt wird. Eine Gesellschaft des materiellen Überflusses, die Tag für Tag Menschen in materielles Elend stürzt, auf die Straße setzt, ausgrenzt, abschiebt und in Gefängnisse steckt.

Der Kampf gegen diese Gesellschaft ist aktueller denn je zuvor, und er wird umso dringender, je stärker die Angriffe auf einmal erkämpfte soziale Errungenschaften zunehmen; je stärker Sozialabbau, Privatisierung und der Abbau von Freiheitsrechten fortschreiten und immer weiter auf eine totalitäre Gesellschaft der Überwachung und Barbarei hinsteuern. Immer deutlicher zeigt sich, dass diese Gesellschaft nur noch mit Gewalt und Zwang zusammengehalten werden kann, mit zunehmender Repression und polizeistaatlicher Disziplinierung.

Immer offensichtlicher wird, dass der Kapitalismus uns vor die entscheidende Wahl stellt, die Rosa Luxemburg bereits vor über 90 Jahren formuliert hatte: „Sozialismus oder Barbarei“. Entweder, wir schaffen diese überkommene, 200 Jahre alte Gesellschaft endlich ab und ersetzen sie durch eine neue, bessere - oder wir werden mit ihr gemeinsam in der Barbarei des Polizeistaats, des sozialen Elends und des Krieges aller gegen alle untergehen. Doch so wie das Mittelalter eines Tages dem Siegeszug der Französischen Revolution weichen musste, so wird irgendwann auch der Kapitalismus eines Tages einer neuen Gesellschaft weichen müssen und Platz machen für eine weitere, hoffentlich bessere Epoche der Menschheitsgeschichte.

Ob diese neue Gesellschaft sich als „Sozialismus“ bezeichnen wird, als „Kommunismus“ oder „Anarchismus“, oder ob sie einen ganz anderen Namen tragen wird, ist dabei nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass sie es schafft, anstelle des Kampfes aller gegen aller ein solidarisches Miteinander zu setzen. Dass sie es schafft, das Privateigentum an Produktionsmitteln durch die Vergesellschaftung der sozialen Prozesse zu ersetzen, und anstelle der Regierung der Mehrheit durch eine Minderheit die autonome Selbstverwaltung der Menschen zu verwirklichen. Eine Gesellschaft, in der die wichtigen Güter allen gemeinsam gehören, und in der alle gemeinsam über alle wichtigen Angelegenheiten entscheiden können; eine Gesellschaft der Freiheit und der Emanzipation, in der niemand mehr das Recht hat, andere zu unterdrücken, zu regieren oder für sich arbeiten zu lassen; eine Gesellschaft der Gleichberechtigung und der Solidarität. Eine Gesellschaft, in der es heißt: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“.

Diese Gesellschaft mag heute noch eine bloße Utopie sein, aber gerade angesichts des ungeheuren technischen Fortschritts der letzten Jahrhunderte ist ihre Verwirklichung realistischer als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte. Und es waren immer die Utopien, die Kämpfe angetrieben und Auswege aus dem Elend der Gegenwart aufgezeigt haben. Auch deshalb soll die Tradition des 1. Mai nicht untergehen, denn sie erinnert uns daran, dass der Kampf um eine bessere Welt bereits geführt wurde, dass er Niederlagen erlitten hat, aber auch Fortschritte gemacht hat, so klein und zeitlich begrenzt diese angesichts der politischen und militärischen Übermacht des alten Regimes auch waren.

Vor allem aber zeigt uns die Tradition des 1. Mai - und die Tatsache, dass auch heute noch Menschen an diesem Tag nicht nur zum Würstchenessen auf die Straße gehen -, dass dieser Kampf noch immer nicht endgültig entschieden ist. Sorgen wir deshalb dafür, dass der Kampf diesmal nicht von den Unterdrückenden gewonnen wird, sondern von den Unterdrückten: Sorgen wir dafür, dass der Kapitalismus möglichst bald der Vergangenheit angehört.

FÜR DIE SOZIALE REVOLUTION!

FÜR DEN KOMMUNISMUS!

FÜR DIE ANARCHIE!