1998

Verbindungen kappen! - Korporationen abschaffen!

26.08.1998

Du bist neu in der Stadt? Willst dich an der Uni einschreiben? Suchst noch ein Zimmer? Und kennst noch niemanden in der Stadt? So oder ähnlich werben Studentenverbindungen auch hier in Freiburg um Erstsemester. Studentenverbindungen? Sind das nicht nur harmlose Traditionsverbände, die saufen, singen und fechten? Oder steckt mehr dahinter? Für den nichtkorporierten Laien scheint die Struktur des Verbindungswesens kaum durchschaubar. Gut eintausend Verbindungen bestehen an den Hochschulen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Dabei ist Verbindung oder Korporation nur Sammelbegriff. Im einzelnen spalten sich diese in Burschenschaften, Landsmannschaften und Corps.

Burschenschaften:

Sie sind alle farbentragend und größtenteils schlagend. Der größte Dachverband ist die Deutsche Burschenschaft (DB), in der 130 Verbindungen organisiert sind. In die DB werden nur gesunde, nichtbehinderte \"volksdeutsche\" Männer, die den Kriegsdienst nicht verweigert haben, aufgenommen.

Landsmannschaften:

Sie stellen die älteste Form studentischer Verbindung dar. Im bedeutendsten Dachverband, dem Coburger Convent (CC), sind rund 100 farbentragende und schlagende Landsmannschaften und Turnerschaften zusammengeschlossen. Im Gegensatz zur DB bezeichnet sich der CC gerne als unpolitisch - seine Toleranz zeigt sich allerdings insbesondere in Bezug auf seine rechtsradikalen Mitglieder.

Corps:

Im Unterschied zu den Burschenschaften standen die Corps schon immer für des elitäre Studententum. heute noch sehen sich die Corps als die Elite unter den Verbindugen und schotten sich gegenüber der Außenwelt ab. Die meisten farbentragenden und schlagenden Corps haben sich entweder dem Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV) oder dem Weinheimer Senioren-Convent (WSC) angeschlossen.

Geschichte der Korporationen

Die Burschenschaften entstanden in der Zeit der Kriege gegen Napoleon (1815-1819) und vertraten in den ersten Jahren ihrer Existenz weitgehend fortschrittliche Ziele. Mit der 1848 gescheiterten Emanzipation des liberalen Bürgertums verschwanden jedoch auch die fortschrittlichen Tendenzen der Burschenschaften mehr und mehr. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. wurden Corps, Burschenschaften und Landsmannschaften immer stärker durch eine antisemitische Haltung geprögt. Mit der Reichsgründung 1871 wurden Nationalismus und Militarismus wesentliche Elemente ihrer Ideologie, die dann unter der Herrschaft Wilhelm des II. weiter florierten. Bei dieser Entwicklung ist es nicht verwunderlich, daß gerade die Korporierten sich 1914 in den vordersten Reihen mit patriotischem Hurrageschrei in den Krieg stürzten. Aus dem I. Weltkrieg kehrte eine stramm rechts ausgerichtete Studentenschaft an die Hochschulen zurück. Viele organisierten sich in den Freicorps und kämpften im ganzem Reich gegen die Arbeiterbewegung. So waren Verbindungsstudenten sowohl bei der blutigen Niederschlagung der Münchner Räterepublik, als auch beim gescheiterten Hitlerputsch beteiligt.

Der gefährliche Dunst der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie hatte früh in die Verbindungshäuser Einzug gehalten. Folgerichtig wurde die Machtergreifung der Nazis 1933 von den meisten Studentenverbindungen begrüßt. Da sie in der Naziherrschaft ihre Verbandsziele erfüllt sahen, führten sie ihre Verbände der Selbstauflösung zu. Das anschließende Verbot war nur noch eine Formalie. Heute wird dieses Ereignis von den Verbindungen fälschlicherweise benutzt, um sich als Nazigegner darzustellen. Einzig katholische Verbände kritisierten den Nationalsozialismus halbherzig. Als Lehre des Nazifaschismus verboten die Alliierten im Nachkriegsdeutschland sämtliche Studentenverbindungen. Im Klima der konservativen Adenauerära und der Wiederbewaffnung konnten sie sich allerdings reorganisieren und ihre alten Beziehungen und Strukturen wiederherstellen. Erst die Studentenbewegung von 1968 konnte den Einfluß korporierter Studenten zurückdrängen. Im Zuge der konservativen Wende der Kohlära und besonders durch den Rechtsruck im Folge der \"Wiedervereinigung\" ist es ihnen gelungen, wieder gesellschaftlich Bedeutung zu erlangen. Dies wird deutlich an den gesteigerten Aktivitäten, die sie heute an den Tag legen. Besondere Bedeutung haben dabei Gerichtsprozesse gegen das politische Mandat, um die angebliche Vorherrschaft linker Asten an den Unis zu brechen.

Ein Männerbund fürs Leben\ Schon immer (ge-)brauchten die Herrschenden, um ihre Machtposition zu festigen, willfährige Gehilfen. Gerade das Korporationsstudententum bietet weißen, funktionierenden, \"nichtbehinderten\", deutschen Männern die Möglichkeit, in führende Positionen gehoben zu werden. Beispiele für diese besondere Art der Karriere sind H.M. Schleyer, Ferdinand Porsche, Dieter Stolte (Intendant des ZDF) und Heinz-Klaus Mertes (Programmchef von Sat1). Andere Korporierte dienten sich bis in verschiedene Entscheidungsebenen der Politik: Kinkel, Kanther, Schäuble, Kohl, Adenauer, Strauß...

Das Korporationswesen entstand in einer Ziet, als die Universitäten nur Männern offenstand. und an ihren Traditionen hat sich in den letzten hundert Jahren nur wenig geändert. Keiner der großen traditionellen Dachverbänden rückte von seinem reaktionär-patriachalen Weltbild ab. Frauen bleiben aus den korporierten Zirkeln ausgeschlossen, ebenso wie sie aus allen wichtigen und entscheidungstragenden Positionen der Gesellschaft ferngehalten werden sollen.

Nationalismus und Militarismus gehören seit jeher zu den Eckpfeilern der Ideologie der Verbindungen. Sie propagieren einen völkischen Nationalismus und unterstreichen durch Fechten, Uniformtragen und einen hierarchisch-autoritären Aufbau ihre Bewunderung für Militär und Militarismus. Daneben fordern die meisten Korporationen ein Großdeutsches Reich in den Grenzen von 1939. So zum Beispiel geschehen auf dem Burschentag der DB 1992 in Eisenach. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, daß österreichische Verbindungen dem DB angeschloßen sind.

Geistige Verwandtschaften zum Rechtsextremismus sind augenfällig. Folgerichtig gibt es einige Querverbindungen ins neonazistische Lager. Besonders in der sog. Neuen Rechten, die eine intellektualisierung der extremen Rechten anstrebt, engagieren sich viele Korporierte.

Ein Beispiel unter vielen ist der neurechte Multifunktionär Hans Ulrich Kopp. Dieser ist Vorsitzender des Altherrenverbandes Danubia München und Mitglied des Witikobundes. Gleichzeitig fungierte er als Sprecher des republikanischen Hochschulverbands und war journalistisch tätig bei den Rechtsaußenpostillen \"Criticon\" und \"Junge Freiheit\". Die in Verbindungskreisen viel gelesene Zeitschrift \"Junge Freiheit\" bemüht sich schon seit längerem, rechtsradikales Gedankengut salonfähig zu machen.

Diese rechte Ideologie wird besonders von österreichischen Verbindungsstudenten in blutige Taten umgesetzt. So sind fast alle österreichischen Neonazis in Korporationen organisiert bzw. waren es. Ein Beispiel hierfür war die Beteiligung von korporierten Studenten an den Bombenanschlägen in Südtirol.

Studentische Verbindungen in Freiburg\ Auch Freiburg als traditionelle Uni-Stadt wird von den Umtrieben der Studentenverbindungen nicht verschont. Insgesamt gibt es hier 36 Korporationen. Alle wichtigen Dachverbände sind in der Stadt präsent. Neben den bereits schon erwähnten DB und CC sind auch der Cartellverband der Katholischen Deutschen Studentenverbindungen (CV) und der Kartellverband Katholischer Studentenvereine (KV) stark vertreten.\ Praktisch alle besitzen Verbindungshäuser in Freiburgs besten Villengegenden. Zimmer in diesen Häusern werden in lokalen Kleinanzeigenblättern kostengünstig angeboten.

Auch in Freiburg durchliefen rechtsextremistische Aktivisten Studentenverbindungen: Wohl der bekannteste war Albert Leo Schlageter, der 1923 wegen seiner rechtsradikalen Terrorakte zum Tode verurteilt wurde. Im NS-Regime wurde er zum \"Ruhrfreiheitskämpfer\" hochstilisiert. Schlageter war Mitglied der Katholischen Deutschen Studentenverbindung Falkenstein 1913 (Mitglied im CV).

Auch in heutiger Zeit gab und gibt es rechte Aktivisten in Freiburger Verbindungen. Ein Beispiel hierfür ist der Republikaner und \"Junge Freiheit\"-Redakteur Torsten Witt. Dieser war in der Landsmannschaft Neoborussia Halle zu Freiburg 1849 organisiert. Zudem war er noch Sprecher des CC.\ Rechte Tendenzen zeigen sich auch in der Einladungspolitik der Verbindungen. So veranstaltete am 19.5.1998 die Akademische Damenverbindung Merzhausia 1982 einen Vortrag, zu dem als Referent Dr. A. Klocke eingeladen war. Dieser ist Mitglied des erzkonservativen und elitären Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Bei einer Diskussion, die von der Katholischen Studentenverbindung Brisgovia 1880 (Mitglied im KV) am 9.7.1998 veranstaltet wurde, sprach Prof. Bernward Büchner, der Gründer der militanten Lebensschützervereinigung \"Juristenvereinigung Lebensrecht\".

Korporationen abschaffen!

Literaturhinweise:\ D. Heither, M. Gehler, A. Kurth, G. Schäfer: Blut und Paukboden. Eine Geschichte der Burschenschaften. Frankfurt a. M. 1997\ Broschüre der Autonomen Antifa Heidelberg: Stützen der Gesellschaft - Elite der Nation. Studentische Verbindungen in Heidelberg.\ Broschüre des Autonomen Antirassismusreferats in AStA Uni Trier: Studentische Korporationen in Trier\ Diverse Ausgaben der Zeitschrift Burschen raus! der Gruppe Anarcho Randalia.

La Banda Vaga 1998

Her mit dem schönen Leben! - Gemeinsam gegen Ausgrenzung und Sicherheitswahn!

01.07.1998

Der Abbau des sogenannten \"Sozialstaates\" geht einher mit der Konzeption der inneren Sicherheit. Der Staat hat Angst, daß die Menschen, die von der sozialen Ausgrenzung betroffen sind, sich irgendwann einmal zur Wehr setzen. Folgerichtig hat Bundesinnenminister Kanther das Jahr 1998 zum \"Sicherheitsjahr\" erklärt.

Tagtäglich behauptet die herrschende Politik, die \"Innere Sicherheit\" sei in Gefahr. Ohne Umschweife werden zugleich die Schuldigen präsentiert; \"kriminelle Ausländerbanden\", Flüchtlinge, \"kriminelle Jugendliche\", \"aggressive Obdachlose\" und überhaupt alle, die als nicht zur Gesellschaft zugehörig erachtet werden. So wundert es nicht, daß der Ruf nach mehr Polizei, noch schärferen Gesetzen und die vermeintlich gestiegene Angst der Bevölkerung, zu den Zahlen der Kriminalstatistik in keinem Verhältnis stehen.

Aufgrund dessen schaffen die Herrschenden das Feindbild der \"organisierten Kriminalität\"; obwohl diese nicht genauer definiert wird. Damit schaffen sie sich die Gesetze, die sie brauchen. Großer Lauschangriff, beschleunigte Verfahren, unzählige Verschärfungen im sogenannten Ausländer- und Asylrecht und verdachtsunabhängige Polizeikontrollen sind Ausdruck dieser Entwicklung.

La Banda Vaga, 1998