2015

Vorstellung des Kosmoprolets \#4 in München

23.12.2015

Am 7. Januar kommt La Banda Vaga ins Antifa-Café der AntifaNT in München und stellt die vierte Ausgabe der Zeitschrift Kosmoprolet vor:

Die Zeitschrift Kosmoprolet ist ein Versuch, mit Leuten in Diskussion zu treten, die ebenfalls das Bedürfnis verspüren, die ausgetretenen Pfade des linken Aktivismus zu verlassen und sich auf die Klassenverhältnisse zu beziehen. Der Name erinnert an die Cosmopolis, an die Idee des Weltbürgers, doch durch die Einfügung des »r« wird der schöne (kantische) Bürgertraum konterkariert und auf seine radikale Pointe gebracht: Die Weltgesellschaft besteht, aber in verkehrter Form, als allgemeine Proletarisierung. Zugleich steht der Name gegen den »linken« Nationalismus -- der »wurzellose Kosmopolit« (Besrodny kosmopolit) war ein Schlagwort in der antisemitischen Kampagne, die Ende der vierziger Jahre in der UdSSR einsetzte.

Doch die durch die allgemeine Proletarisierung massenhaft freigesetzte Arbeitskraft weckt auf Seiten des Kapitals längst keine entsprechenden Begehrlichkeiten mehr, sodass ein Surplus-Proletariat entsteht. Menschen also, die aus Sicht des Kapitals überflüssig sind. Das Surplus-Proletariat hat in den letzten Jahren auf vielfältige Weise in das politische Geschehen eingegriffen, nicht zuletzt in Form stetig wachsender Migrationsbewegungen. Unter dem Schwerpunkt Surplus-Proletariat werden verschiedene Themen in den einzelnen Aufsätzen aufgegriffen, u. a. sind dies: „Fragmentarisches über Geschlechter und Kapital", „Zur Geschichte und Kritik des Sozialstaats", „Israel, Palästina und der Universalismus", „Leiharbeit" und „Ultras in den gegenwärtigen Revolten".

Die Zeitschrift Kosmoprolet ist für 5 Euro im Kafe Marat oder auf syndikat-a.de erhältlich. Mehr Infos zur aktuellen Ausgabe sowie die Texte von Kosmoprolet Nummer 1, 2 und 3 gibt es auf der Homepage des Kosmoprolet.

Außerdem wie immer überragend gutes Essen, überraschend erfrischende Musik und die frischesten Antifa-News.

Film und Diskussionsveranstaltung: Miners Shot Down

18.09.2015

Am Donnerstag, den 24.09.2015 um 20 Uhr organisiert die Worker Center Initiative Freiburg im Susi BewohnerInnentreff Ecke Merzhauserstraße/Vauban-Allee eine Film- und Diskussionsveranstaltung:

ArbeiterInnen gegen den ANC Staat -- Der Staat schießt auf BergarbeiterInnen in Marikana

Im August 2012 wird der wilde Streik in den Bergwerken in Marikana in einer gemeinsamen Aktion von Polizei, Politik und Gewerkschaftsfunktionären zusammengeschossen. 34 ArbeiterInnen werden aus nächster Nähe erschossen, 78 verletzt, 259 festgenommen. Der Streik wurde trotzdem fortgesetzt und mit Lohnerhöhungen zwischen 11 und 22 Prozent beendet.

1994 mündet eine der weltweit am breitesten unterstützten Befreiungsbewegungen im größten Industriestaat Afrikas in die Machtübernahme durch den ANC in Südafrika. Die damit verbundenen Hoffnungen zerschellten an der »neoliberalen« Politik des ANC, die\ Besitzverhältnisse und Kapitalinteressen weitgehend unangetastet ließ. Die für die südafrikanische Wirtschaft wichtigen Exportindustrien Auto und Bergbau brachen im Zuge der Krise 2008 ein, gleichzeitig kämpften die ArbeiterInnen im Bergbau und die BewohnerInnen in den städtischen Townships.

Der Streik bei Marikana war ein Höhepunkt der Selbstorganisierung -- allerdings auch der Repression von Staatsseite. Aber der »Marikana-Effekt« strahlte aus: Streiks der Farmarbeiter und der Autoindustrie noch 2012, Goldbergbau 2013, Maschinenbau 2014... Der Film \"Miners Shot Down\" (Südafrika, Engl./Dt. Untertitel) zeigt die Ereignisse aus der Sicht der ArbeiterInnen.

Kosmoprolet \#4 ist erschienen

06.09.2015

Erhältlich ab September 2015 | 208 Seiten | 5 € / 6 CHF

Herausgegeben von den »Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft» (Berlin), »eiszeit« (Schweiz) und »la banda vaga« (Freiburg)

Editorial\ ■ Abseits des Spülbeckens. Fragmentarisches über Geschlechter und Kapital\ ■ Reflexionen über das Surplus-Proletariat. Phänomene, Theorie, Folgen\ ■ Elend und Schulden. Zur Logik und Geschichte von Überschussbevölkerungen und überschüssigem Kapital\ ■ Moloch und Heilsbringer. Zur Geschichte und Kritik des Sozialstaats\ ■ Israel, Palästina und der Universalismus\ ■ Leiharbeit. Ende der Identifikation mit der Ausbeutung oder doch nur Waffe des Kapitals?\ ■ Zwischen Eigentor und Aufstand. Ultras in den gegenwärtigen Revolten

In Freiburg gibt es den Kosmoprolet bei der Buchhandlung jos fritz. Per Post gibt es Einzelexemplare bei Syndikat-A.\ WiederverkäuferInnen bestellen unter kosmoprolet@gmx.de. Sie bekommen (inkl. Versandkosten): 3 Ex. für 12 €; 5 Ex. für 18 €; 10 Ex. für 35 €. Die Auslieferung erfolgt nur gegen Vorkasse auf das Konto: Weltcommune, Konto Nr.: 494584109, IBAN: DE94100100100494584109, Postbank Berlin (BLZ 10010010). Als Verwendungszweck den Namen des Bestellers angeben.

Alle Macht den Räten? Ist der Rätekommunismus heute noch relevant?

13.08.2015

Dieser Text basiert auf einem Vortrag, der im Rahmen der Freiburger Workers Center Initiative am 02.07.2014 in der Fabrik in Freiburg gehalten wurde. Eine ergänzte und überarbeitete Version des Vortrags erschien in der Ausgabe 50 der Zeitschrift „Phase 2" vom Frühjahr 2015 zum Thema „Staatenlos durch die Nacht. Was taugt der Anarchismus?".

In diesem Text soll es nicht vorrangig um eine Geschichte des historischen Rätekommunismus gehen, sondern es sollen vor allem einige Überlegungen zur heutigen Relevanz des Rätekommunismus angestellt werden. Dafür ist es allerdings notwendig kurz das historische Auftauchen der Räte, zentrale Organisationen, Perso-nen und Inhalte des Rätekommunismus darzustellen, bevor anhand einiger Kritikpunkte die Frage der Aktualität diskutiert werden kann.\ Der deutsche Anarchist Erich Mühsam definiert die Räteidee folgendermaßen:\ „Der Rätegedanke ist uralt. Räte sind im eigentlichen Sinne nichts andres als die Vereinigung Gleichberechtigter zur Beratung ihrer eigenen gemeinsamen Angelegenheiten. Diese Bedeutung hatten die Gemeindeversammlungen des Altertums, die Gilden des Mittelalters, die Sektionen der französischen Revolution und der Kommune. Das Rätewesen als Zusammenarbeit von Ratgebern und Ratholern auf Gegenseitigkeit ist über die Bestimmung der Interessenvertretung in sich verbundener Menschengruppen hinaus die natürliche Organisationsform jeder Gesellschaft überhaupt, welche die Leitung der öffentlichen Sachen von einer staatlichen Spitze aus durch die Ordnung von unten herauf, durch Föderation, Bündnis und unmittel-baren Zusammenschluss der Arbeitenden zur Regelung von Arbeit, Verteilung und Verbrauch ersetzt sehn will."

Die Geschichte der Räte

Als historisches Vorbild des Rätekommunismus gilt die Pariser Kommune von 1871, die Karl Marx als die „[...] endlich entdeckte politische Form der Befreiung der Arbeit [...]" bezeichnete.\ Die erste Revolution in deren Verlauf die Bezeichnung Räte für die\ Selbstverwaltungsorgane der Massen auftauchten, ereignete sich im Jahr 1905 in Russland. Die dortigen Ereignisse beeinflussten die internationale ArbeiterInnen-bewegung nachhaltig. Ausdruck davon war die sog. Massenstreikdebatte, in der v. a. Rosa Luxemburg die Rolle der Spontanität der ArbeiterInnenklasse und die politische Dimension von Massenstreiks betonte. Streiks sollten ihrer Meinung nach auch dafür eingesetzt werden, politische Ziele zu erreichen und nicht nur, wie bisher meist, nur auf ökonomische Fragen beschränkt bleiben. Da sich diese Position innerhalb der deutschen Sozialdemokratie aber nicht durchsetzen konnte, radikali-sierten sich einige Parteigliederungen, v. a. die sog. Bremer Linksradikalen, die dann zu einer der Keimzellen des Rätekommunismus avancierten. In der Revolutionsphase von 1917-1923 wurden die Räte dann zu einer Massenerscheinung. Ausgehend von der Oktoberrevolution in Russland und der Novemberrevolution im Deutschen Reich sollen während dieses Kampfzykluses in etwa 30 Ländern ArbeiterInnenräte gebildet worden sein. Aber auch in späteren Erhebungen, etwa während des Ungarischen Aufstandes gegen den Stalinismus 1956 oder während der Revolution im Iran 1979 entstanden ArbeiterInnenräte. Allerdings muss betont werden, dass die Räte geschichtlich nicht nur für eine freiheitliche Umgestaltung der gesamten Gesellschaft standen, sondern auch für gegenteilige Interessen genutzt wurden, etwa nach den russischen Revolutionen 1905 und 1917 oder in der deutschen Revolution. Verschiedene politische Strömungen, ob sozialdemokratische oder bolschewistische nutzten die Räte, um ihre politischen Interessen durchzusetzen und die Räte von innen zu entmachten. Die Form der Räte allein garantiert also noch keinen emanzipatorischen Inhalt.\ Der historische Rätekommunismus als Theorie der ArbeiterInnenräte entstand während der weltweiten Welle von Revolutionen 1917-23. Diese Strömung wird auch als holländische oder deutsch-holländische Linke bezeichnet, da zentrale TheoretikerInnen aus diesen beiden Ländern stammten. In der deutschen Revolution war die zentrale Frage, die die Akteure spaltete, die nach Parlamentarismus oder Rätesystem. Die deutsche Sozialdemokratie konnte sich letztlich im Bündnis mit den reaktionären Kräften gegen die RäteanhängerInnen durchsetzen. Die linksradikalen Zirkel hatten sich 1919 zur „Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) vereinigt und eine strikt antiparlamentarische und aufständische Position vertreten. Doch bereits auf dem Heidelberger Parteitag 1920 drängten die leninistischen Kräfte die antiparlamentarische Linke aus der Partei und setzten bindend durch, dass die KPD sich an Wahlen beteiligte und die Mitglieder sich in den großen Gewerk-schaften beteiligen sollten. Nach dieser Richtungsentscheidung verließ die Mehrzahl der AnhängerInnen die Partei. Aus diesen Reihen der Abtrünnigen gründeten sich dann die „Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands" (KAPD) und die „Allgemeine Arbeiterunion" (AAU). Doch nach dem Abflauen der revolutionären Welle nach 1923 zersplitterte sich der organisierte Rätekommunismus in zahlreiche Organisationen und Grüppchen und verlor seine gesellschaftliche Relevanz. Der Rätekommunismus hatte sich als Theorie und Praxis der Revolution erwiesen, der aber in nichtrevolutionären Zeiten schnell zerfiel.\ Wichtige Personen des Rätekommunismus waren die Holländer Anton Panne-koek, Hermann Gorter, Henriete Roland-Holst und Cajo Brendel, die insurektionalistischen Bandenführer Max Hoelz und Karl Plättner, der Herausgeber der Zeitschrift „Die Aktion" und Gründer der „Antinationalen Aktion", Franz Pfemp-fert, der Pädagoge Otto Rühle und das spätere Mitglied der „Industrial Workers of the World" (IWW) Paul Mattick. Spätere Anhänger der Rätekonzeption waren etwa Hannah Arndt und die französische Gruppe „Socialisme ou Barbarie".

Theorie des Rätekommunismus

Als zentrale politische Positionen des Rätekommunismus können der Antiparlamen-tarismus, die Ablehnung der (etablierten) Gewerkschaften (stattdessen Aufbau eigener revolutionärer Betriebsorganisationen oder gar einer Einheitsorganisation), Bürokratiekritik (an den Organisationen der alten ArbeiterInnenbewegung, wie der SPD, aber auch der KPD) und die Zentralität der Krisentheorie gelten.\ Die Krisentheorie der RätekommunistInnen stützte sich maßgeblich auf die pünktlich zum Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929 erschienene Schrift „Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz des kapitalistischen Systems. (Zugleich eine Krisentheorie)" von Henryk Grossmann und begründete das maxima-listische und insurektionalistische Vorgehen der AktivistInnen. Dies bedeutete, dass teilwiese jegliche reformistischen Tagesforderungen als kapitalismusstützend abgelehnt wurden und nur die sofortige kommunistische Revolution als adäquate Position anerkannt wurde. Max Hoelz, Karl Plättner und andere zogen daraus die Konsequenz, dass nur der bewaffnete Kampf die Antwort seien könne und zogen mit „bewaffneten Haufen" plündernd durch das Land.\ Gegen die rätekommunistischen Ansichten veröffentlichte Lenin 1920 eine Kampfschrift, die zur „Bibel des Stalinismus" avancieren sollte. In „Der linke Radikalismus, Kinderkrankheiten im Kommunismus" verteidigte Lenin die bolschewistische Politik und forderte alle KommunistInnen auf sich in den großen Gewerkschaften zu engagieren und an parlamentarischen Wahlen teilzunehmen. Auf diese Schrift reagierte wiederum Hermann Gorter mit einem „Offenen Brief an den Genossen Lenin". Aus dieser Debatte entwickelte sich eine Bolschewismuskritik, die zum Markenzeichen für die gesamte rätekommunistische Theorie werden sollte. Anfangs begrüßten die linken KommunistInnen die Oktoberevolution als den lang ersehnten Startschuss für die Weltrevolution. Doch zunehmend wurde Kritik an einzelnen Punkten der russischen Entwicklung formuliert, etwa an der Agrarpolitik oder der gewaltsamen Niederschlagung des Kronstädter Aufstandes. Es war aber vor allem die Forderung der „Kommunistischen Internationalen", die verlangte, dass alle nationalen Sektionen das russische Vorbild auf ihre Heimatländer übertragen sollten, die die Kritik zu einer grundsätzlichen werden ließ. Diese radikalisierte sich zunehmend, bis zu dem Punkt, dass die Rätekommunisten im Bolschewismus nur noch eine nachholende kapitalistische Entwicklung unter den spezifischen russischen Bedingungen erkennen konnten.\ Ein weiterer wichtiger Programmpunkt der Rätekommunisten war ihre, auch praktische, Kritik an der Organisationsform der alten ArbeiterInnenbewegung. Sozialdemokratische und andere Gewerkschaften organisierten die ArbeiterInnen anhand der Berufsgruppen, also eine Gewerkschaft für die MetallarbeiterInnen, die ChemiearbeiterInnen etc. Nach der Vorstellung der RätekommunistInnen sollte sich die „Neue ArbeiterInnenbewegung" dagegen anhand des jeweiligen Betriebes zusammenschließen, d. h. alle ArbeiterInnen eines Betriebes sollten revolutionäre Betriebsorganisationen bilden, dies sich wiederum auf höherer Ebene zu ArbeiterInnen Unionen vereinigen sollten. Dies sollte die Vorstufe zur Organisation der gesamten Gesellschaft auf Rätebasis schaffen.

Kritik am Rätekommunismus

An den rätekommunistischen Vorstellungen wurde von Anfang an viel Kritik geübt. Diese kam aber nicht nur von den, von ihnen als „Alte ArbeiterInnenbewe-gung" bezeichneten Strömungen, also der Sozialdemokratie oder dem Leninismus, sondern auch dissidente kommunistische Fraktionen kritisierten Teile oder auch das gesamte Gedankengut des Rätekommunismus. Anhand der Kritiken lässt sich schon viel über den heutigen Gebrauchswert der rätekommunistischen Theorie aussagen.\ Ein Kritikpunkt ist bereits durch die kurze historische Darstellung der Geschichte deutlich geworden: Der Rätekommunismus hat sich geschichtlich als Theorie und Praxis der Revolution gezeigt. In nichtrevolutionären Zeiten zerfielen die rätekom-munistischen Gruppen immer sehr schnell und die Räteidee geriet in Vergessenheit.\ Eine der wichtigsten Kritiken am Rätekommunismus basiert auf Überlegungen, die der italienische Operaist Sergio Bologna angestellt hat. Für ihn und andere OperaistInnen war der Rätekommunismus eine Bewegung der FacharbeiterInnen.\ „Das Konzept der Arbeiterselbstverwaltung hätte in der deutschen Arbeiter-Rätebewegung ohne das Vorhandensein einer Arbeiterschaft, die mit der Technologie des Arbeitsprozesses durch ein ausgeprägtes Selbstverständnis als Facharbeiter und eine natürliche Neigung, ihre Rolle als ˊProduzentenˋ zu betonen, untrenn-bar verbunden war, niemals so breiten Anklang gefunden. Das Konzept der Selbstverwaltung betrachtete die Arbeiter als autonome Produzenten und die Arbeitskraft innerhalb der Fabrik als eine unabhängige Größe."\ Diese soziale Figur bestimmte dann auch den Inhalt. Durch die Bedeutung der FacharbeiterInnen innerhalb der Produktion und ihre Kenntnisse der Produktionsprozesse, entwickelte der Rätekommunismus eine Art „Selbstverwaltungsideologie". Vorgesetzte wurden in der Fabrikation häufig als Störfaktoren erlebt, so dass die ArbeiterInnenräte diese ausschalten sollten und der gesamte Produktionsprozess in die Hände der Belegschaft gelegt werden sollte. Die ArbeiterInnen seien häufig von einem ProduzentInnenstolz angetrieben, die weder die Produktionsweise, noch die Formen der zugrundeliegenden Technik kritisierten. Die OperaistInnen sahen diese Art des ArbeiterInnenwiderstandes Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts als überholt an. Für sie war das zentrale Subjekt der Massenarbeiter, der die Fabrik nicht selbst verwalten, sondern zerstören wolle. Statt ProduzentInnenstolz wurde nun der Kampf gegen die Arbeit propagiert.\ Obwohl es empirisch umstritten ist, ob sich der historisch Rätekommunismus in seiner sozialen Rekrutierung auf den Typus der FacharbeiterIn stützte oder ob nicht bereits zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts die fordistischen MassenarbeiterInnen die Basis der revolutionären Bewegungen stellten, so treffen doch einige der geäußerten Kritikpunkte fraglos zu. So finden sich in rätekommunistischen Veröffentlichungen zahlreiche arbeitertümelnde Aussagen. Das Programm der KAPD von 1920 forderte etwa die „rücksichtslose Durchführung des Arbeitszwanges". Auch die unkritische Propagierung der ArbeiterInnenselbstverwaltung ist nicht unproblematisch. In nichtrevolutionären Zeiten sind selbstverwaltete Betriebe gezwungen sich der kapitalistischen Umwelt und Konkurrenz anzupassen, was meist zu einer gesteigerten Form der Selbstausbeutung führt. Dies lässt sich exemplarisch an den meisten Alternativbetrieben, die in der Bundesrepublik in den siebziger und achtziger Jahre entstanden sind beobachten. Aber selbst in revolutionären Umbrüchen, die auf ein Land beschränkt sind oder die unter schweren äußeren Bedingungen stattfinden, wie etwa ein Bürgerkrieg, ergeben sich Zwänge, die dazu führen können die eigenen Ideale aufzugeben und etwa widerwillige Arbeite-rInnen mittels Zwang zur Arbeit zu bringen.\ Ebenso zutreffend ist die Kritik an der Affirmation der vorgeblich neutralen Technik und Wissenschaft. Heutzutage kann es nicht mehr darum gehen die vor-handenen Produktionsmittel nur unter veränderten Besitzverhältnissen zu übernehmen, sondern die Produktion grundsätzlich zu verändern. Denn der im kapitalistischen System angewandten Technik wohnt immer schon die Rationalität der Kapitalvergesellschaftung inne. Die diesen Verhältnissen angepasste Vernunft ist immer eine instrumentelle. Die Kritik an der kapitalistischen Technik und Planung wurde v. a. seit den späten 1950er und 1960er Jahren von den italienischen OperaistInnen stark gemacht, so entzifferte etwa Raniero Panzierie in der ersten Ausgabe der „Quaderni Rossi" die Maschinerie als ein Mittel zur Unterwerfung der lebendigen Arbeit unter das Kommando des Kapitals. Einer kommunistischen Revolution kann es also nicht darum gehen die vorgefundenen Technologien zu übernehmen, sondern diese so zu verändern oder gar neu zu schaffen, dass sie der Bedürfnisbefriedigung dienen und nicht mehr der Kapitalakkumulation. Dies schließt eine irgendwie geartete „sozialistische" Übernahme etwa der Fließbandproduktion von vorneherein aus.\ Der Rätekommunismus definierte sich selbst als orthodoxer Marxismus und sprach diese Zuschreibung anderen sich auf Marx berufenden Strömungen wie dem Leninismus ab. Aus dieser Orthodoxie heraus ergaben sich aber auch einige proble-matische Positionen. So vertraten die RätekommunistInnen einen strikten histori-schen Determinismus, der sich am Stufenmodell „Feudalismus", „Kapitalismus", „Sozialismus", „Kommunismus" orientierte. Die Kritik an der Sowjetunion basierte etwa auf der Prämisse, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse des halbfeudalen Russlands noch nicht bereit gewesen seien für einen Sprung in den Sozialismus. Damit geraten sie aber in Widerspruch zu Marx, da dieser am Ende seines Lebens durchaus die Möglichkeit beschrieben hat, dass in Russland eine Situation entstehen könnte, in der die traditionelle russische Dorfgemeinschaft, die auf Gemeinschaftseigentum basierte, mit der Krise im kapitalistischen Westen zusammenkom-men könnte und so einen Weg Russlands in den Sozialismus ohne den Umweg über den Kapitalismus ermöglich könnte. Er betonte, dass die von ihm beschriebenen Entwicklungsstufen vom Feudalismus zum Kapitalismus und dann hoffentlich zum Sozialismus nur auf seinen Beobachtungen in Westeuropa beruhten und die Entwicklung in anderen Weltregionen durchaus anders verlaufen könnte.\ Auch bei anderen Fragen hielten sich die RätekommunistInnen streng an die Vorgaben der ihnen bekannten Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels. So veröffentlichte die „Gruppe Internationaler Kommunisten Hollands" 1930 ein ausgearbeitetes Übergangsprogramm für die Zeit nach der Revolution. Dieser „Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung" betitelte Text orientierte sich dabei an Marx´ Ausführungen zur „Kritik des Gothaer Programms". Der Entwurf sah vor, dass nach der Revolution jede Person für gleiche Arbeit gleiche viele Güter erhalten sollte. Gemessen werden sollte dies anhand der individuellen Arbeitszeit, die mit Hilfe von Arbeitszetteln festgehalten werden sollte. Menschen, die nicht arbeiten können, sollten selbstverständlich von der Allgemeinheit mitver-sorgt werden. Menschen die dagegen nicht arbeiten wollen, fallen aus der Versor-gung heraus. Positiv festzuhalten an den „Grundprinzipien" bleibt, dass sich die Verfasser ernsthafte Gedanken über das weitere Vorgehen nach einer Revolution gemacht haben und sich dadurch positiv von vielen RevolutionärInnen, die nur bis zum Umsturz denken können oder wollen unterscheiden. Doch merkt man dem Text auch seine Zeitgebundenheit an. Obwohl nach einer erfolgreichen Weltrevolution als dringendstes Problem natürlich die Versorgung der Grundbedürfnisse der Menschen weltweit und die Beseitigung der kapitalistischen Verheerung sicherge-stellt werden müssen, ist beim heutigen Stand der Produktivkräfte kein Übergangs-programm, das die Voraussetzungen für den Kommunismus schafft mehr nötig, sondern es muss sofort damit begonnen werden, diesen aufzubauen. Dies beinhaltet auch die Abschaffung der Lohnarbeit in jeder Form.\ Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt betrifft die strikte Konzentration der rätekommunistischen Ausrichtung auf den Produktionsbereich. So richtig es ist, den Hebel für den Umsturz dort zu suchen, wo der Wert geschaffen wird und damit auf die Macht der ProduzentInnen zu setzen, denn diese haben natürlich ganz andere Möglichkeiten das Kapital in die Enge zu treiben, als etwa von die von der Lohnarbeit ausgeschlossenen Teile des Proletariats, so fatal ist es doch alle anderen Bereiche aus den Augen zu lassen. Dies betrifft etwa den Reproduktionsbereich, der für die Kapitalakkumulation unabdingbar ist, denn schließlich wird die Arbeitskraft erst hier geschaffen und täglich reproduziert. Dies betrifft aber etwa auch die Fragen der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen durch die kapitalistische Produktionsweise, die das Weiterbestehen der gesamten Menschheit bedroht. Oder auch die fatale Rolle von Rassismus und Antisemitismus für die ArbeiterInnenbewegung. Der Rätekommunismus ist in vielerlei Hinsicht in der Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts stehen geblieben. Die Bedeutung die etwa das Aufkommen der Kul-turindustrie, bzw. die „Gesellschaft des Spektakels" für die kapitalistische Gesellschaft eingenommen haben, konnten sie nicht mehr in ihre Theorie einordnen.

Der Rätekommunismus unter den heutigen\ Produktionsbedingungen

Die wichtigste Kritik am historischen Rätekommunismus betrifft aber dessen Fokussierung auf die ArbeiterInnen der großen Industrie. Für die RätekommunistInnen waren die großen Fabriken der Ausgangspunkt, aber auch der zentrale Ort der Revolution. Diese sollten selbstverwaltet durch Rätestrukturen das Rückgrat der neuen Gesellschaft bilden. Nach dem Ende der fordistischen Ära des Kapitalismus sind die Großfabriken aber zumindest in den Zentren des kapitalistischen Weltsystems weitgehend verschwunden oder auf dem Rückzug. Die riesigen Fabrikkonglomerate sind z. T. in Schwellenländer wie China oder Indien weitergezogen. Es dürfte also spannend sein zu beobachten, wie sich die zunehmenden Kämpfe dort organisatorisch und politisch äußern. Kommt es auch dort zu Formen von proletarischer Selbstverwaltung, die mit den historischen Räten in Europa vergleichbar sind? Verschiebt sich mit der Verlagerung der Großindustrie auch das Zentrum der Kämpfe?\ Die heutige Arbeitsgesellschaft in den kapitalistischen Zentren ist hingegen durch eine unglaubliche Zersplitterung der Arbeitsverhältnisse geprägt, die eine gesellschaftliche Organisation, wie sie sich die klassischen RätekommunistInnen dachten stark erschweren. Diese Ausdifferenzierung der Arbeitsverhältnisse etwa in Leiharbeit, Werkverträge, Mini- und Midijobs, Teilzeitstellen, (Schein-)Selbst-ständigkeiten und viele weitere Formen mehr, geht in großen Teilen der Welt mit der Überflüssigmachung der Arbeitskraft einher. Immer größere Teile der WeltarbeiterInnenklasse werden vom Kapital nicht mehr benötigt, sie werden zu Überflüs-sigen, zum Surplus-Proletariat gemacht. Den Konzepten der historischen Rätekom-munistInnen wird damit die materielle Basis entzogen. Sie sind somit nur mehr ein historisches Phänomen.\ Dies bedeutet für die Revolutionäre heute, dass neue Überlegungen angestellt werden müssen, die die verbliebenen ArbeiterInnen der Großindustrie mit den prekär Beschäftigten und den „Überflüssigen" zusammenbringen. In den Kämpfen der vergangenen Jahre blinkte diese Konstellation bereits immer wieder auf. Etwa wenn sich auf dem Kairoer Tahrir-Platz streikende TextilarbeiterInnen, informelle ArbeiterInnen aller Schattierungen und SlumbewohnerInnen trafen. Oder als Occupy-Oakland gemeinsam mit den HafenarbeiterInnen einen Generalstreik mit Blockade organisierte. Häufig zentrieren sich die heutigen Kämpfe um Plätze und nicht mehr um Fabriken.\ Doch trotz aller Kritik am Rätekommunismus, der wie andere Bewegungen auch ein Kind seiner Zeit war und auf die damaligen gesellschaftlichen und materiellen Verhältnisse reagierte, so formulierte diese Strömung der ArbeiterInnenbewegung einige Positionen, hinter die auch eine heutige Emanzipationsbewegung nicht zurückfallen darf. Dies betrifft die Aufhebung der Trennung zwischen Politik und Ökonomie, wie es in den avanciertesten Konzepten der RätekommunistInnen proklamiert wurde, ebenso wie das Konzept einer antiautoritären Selbstverwaltung der Weltgesellschaft, ohne Staaten, Parteien, FunktionärInnen und Bossen unter den heutigen materiellen Voraussetzungen. Diese Selbstverwaltung vermittels des Prinzips der Räte gilt es über den engen Bereich der Arbeit auszuweiten und die gesamte Gesellschaft durch die Vereinigung Gleichberechtigter zur Beratung ihrer eige-nen gemeinsamen Angelegenheiten zu organisieren. Neue Kommunikationsmöglichkeiten, wie es das Internet bereitstellt eröffnen dazu neue Möglichkeiten, die den historischen RätekommunistInnen noch nicht zur Verfügung standen, etwa für eine gleichberechtigte Kommunikation vieler Menschen oder die ökonomische Planung einer nachkapitalistischen Gesellschaft. Es liegt an uns das Erbe weiterzutragen.

Der vollständige Text mit Fußnoten und Literaturverzeichnis findet sich in der PDF-Version.

Nicht Syriza erlitt eine Niederlage -- Syriza ist die Niederlage

03.08.2015

„Kurz, die Gewerkschaften und die etatistische Linke in Griechenland sind so unbrauchbar wie überall, doch wie überall gilt, dass sie nicht als äußerlicher Hemmschuh der Klassenkämpfe denunziert werden können, sondern deren wirkliche Grenzen ausdrücken." Diese Aussage aus dem Jahr 2010 schien sich Anfang dieses Jahres als falsch herausgestellt zu haben. Der Wahlsieg von Syriza, die Erfolge von Podemos bei den spanischen Kommunalwahlen, dann die zähen Verhandlung zwischen Griechenland und der „Troika", in der sich die griechische Regierung nicht unterkriegen lassen wollte und schließlich das erfolgreiche Referendum gegen die Sparpolitik in Griechenland -- all das gab vielen wieder eine Hoffnung zurück, dass man sich wirkungsvoll zu Wehr setzen könnte. Und dass das Resultat der weltweiten Krise seit 2007 nicht in einem ewig fortschreitenden Abbau der Lebensstandards enden müsste. Und das vielleicht sogar eine neue, bessere Gesellschaft möglich sei. Es ist jene Hoffnung, die sich nach dem scheinbaren Ende der weltweiten Bewegungen in Nichts aufgelöst hat. So verschwanden etwa die Occupy-Bewegungen offenbar spurlos, der Arabische Frühling wandelte sich in den Islamischen Winter. Und am tragischsten: Die Proteste in Syrien mündeten in einem nicht enden wollenden blutigen Bürgerkrieg. In diesem Zusammenhang ist es auf den ersten Blick nur zu verständlich, dass die Wahlsiege linker Parteien in Spanien und vor allem Griechenland erhebliches Aufsehen erregten. Gerade Syriza erschien vielen als neuer Hoffnungsschimmer für ein „friedliches, freies, demokratisches, soziales und ökologisches Europa" (Gregor Gysi) und als eine Alternative zur Austeritätspolitik. Das böse Erwachen kam schnell: Syriza musste sich den Forderungen der europäischen Austerität-Fraktion -- allen voran Deutschland -- beugen. Und dies trotz des erfolgreichen Referendums gegen die Sparpolitik, trotz der weitgehenden Entschlossenheit Syrizas der „Troika" die Stirn zu bieten und trotz der breiten Unterstützung der griechischen Bevölkerung für diese Regierung. Nun kommen auf Griechenland Reformen zu, die zum Teil stark an die Liquidierung der DDR erinnern. Eine weitere Verschlechterung der Lebensbedingungen für die lohnabhängige Bevölkerung bis hin zur Massenverelendung wird die Folge sein. Schon jetzt ist das Gesundheitssystem kollabiert und die Folgen davon sind erschütternd: die Säuglingssterblichkeit stieg um ca. 40% an, ähnlich wie die Rate an HIV-Neuinfektionen, Tuberkulose- und Depressionsfälle und schließlich ähnlich rasant wie die Suizidrate. Diese für die Menschen katastrophalen Folgen des Klassenkampfs von oben, der sich euphemistisch „Reformen" nennt, werden allerdings deutlich schlimmer. Dass die linke Kritik an Syriza deshalb wieder lauter wird, ist verständlich. Die Kritik, dass Parteien wie Syriza Revolten und Aufbegehren kanalisieren und in für den Kapitalismus verarbeitbare Bahnen lenken, ist sicherlich berechtigt. Lediglich wird dabei vergessen, dass Syriza nicht Schuld am Niedergang der Griechischen Revolte ist, sondern der Ausdruck deren Niederlage. Nur in einem Stadium der Schwäche der realen Bewegungen kann eine Partei diese vereinnahmen. Es ist die Niederlage der Aufstände Ende 2008, als die Jugend und vor allem migrantische Lohnabhängige in riots, wilden Streiks und Demonstrationen gegen die herrschende Strukturen rebellierten, welche zu dem Erfolg Syrizas und der heutigen, scheinbar aussichtslose Situation führte. Ähnliches konnte man vor 35 Jahren in Deutschland beobachten, als die Grünen aus den Resten der Revolte der 1970er-Jahre groß wurden. Doch warum scheint diese Situation aussichtslos? Könnte nicht doch die Austeritätspolitik, d. h. die drastischen Lohnkürzungen, Verringerung der Staatsausgaben und weitgehenden Privatisierungen nicht doch eines Tages Früchte tragen? Nämlich dann wenn die Ware Arbeitskraft wieder so billig geworden ist, dass das griechische Kapital einen Extraprofit gegenüber der Konkurrenz einstreichen kann? Das mag theoretisch sogar denkbar sein, aber wahrscheinlich ist es doch nicht, da die griechische Ökonomie gar keine industrielle Basis mehr besitzt auf der sich eine eigenständige Wirtschaft entwickeln könnte. Dazu kommt das weltwirtschaftliche Umfeld, die größte Krise seit fast hundert Jahren, die jegliche Umverteilungsprojekte, ob zugunsten einzelner Bevölkerungsteile oder einzelner Länder, die gefördert werden sollen, verunmöglicht. Es bleibt festzuhalten, dass die Vorstellung einer „gesunden Marktwirtschaft", die sozial ist, von der alle profitieren und stabil bleibt, die absolute Ausnahme in der nun schon 400 Jahre andauernden Geschichte des Kapitalismus darstellt. Nicht die „goldenen" 50er und 60er, in denen der „letzte Arbeitslose" gefeiert wurde, die Löhne stetig stiegen und Kühlschränke, Kleinwagen und der Urlaub nach Italien auf einmal für große Teile der Bevölkerung erschwinglich wurde, sind der Normalzustand des Kapitalismus. Geringe Löhne, flexible Arbeitsbedingungen, Überstunden und fehlender Kündungsschutz; Prekarisierung, Ausgrenzung und Verelendung breiter Bevölkerungsteile, gehören zum Standard des warenproduzierenden Systems seit seinen Anfängen. „Armut trotz Boom", wie Die Welt titelte, ist kein Paradox, sondern folgerichtig. Dass es zum jetzigen Zeitpunkt, anders als in den 50ern, wenig zu verteilen gibt, sieht man an Griechenland und dem Scheitern Sysizas. War der Reformismus auch schon früher der für das Kapital angenehmere Weg zum sozialen Frieden und hätte ohne die radikalen Kämpfe der Lohnabhängigen nie solche Erfolge feiern können, sind nun seine Tage endgültig vorbei. Es gibt nicht mehr viel zu verteilen. Der Kapitalismus ist nicht reformierbar. Für ein besseres Leben für uns alle muss er Überwunden werden und zwar nicht durch Parlamentarismus oder sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften, sondern durch die Kämpfe von unten. Die schrecklichen Folgen des Sparpakets für Griechenland, aber auch die vielen anderen Gräuel des Kapitalismus vor Augen, kann es deshalb wie vor hundert Jahren nur heißen: Sozialismus oder Barbarei. Dass beim heutigen Stand der Kämpfe in Europa diese Aussicht eher erschreckend wirkt als hoffnungsvoll ist klar. Ein Blick in die Geschichte zeigt jedoch, dass sich die großen Bewegungen nie lang im Voraus ankündigten. Man denke nur an den arabischen Frühling, den wenige Monate vor seiner Entstehung kaum jemand für möglich gehalten hatte. Aber auch die weltweite Bewegung um das Jahr 1968 kam scheinbar unerwartet. Und vielleicht bedeutet auch der Befund zu dem eine Studie, des neoliberalen Instituts der deutschen Wirtschaft kommt, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist: Die Wirtschaftsforscher haben nämlich festgestellt, dass das Vertrauen in das politische und ökonomische System in den europäischen Krisenländern dramatisch schwindet. Wenig überraschend führt Griechenland diese Statistik an. Nun muss aus dieser Einsicht „nur noch" die an die Wurzel gehende, umfassende Umgestaltung der Welt von unten folgen und die Alternative von der Rosa Luxemburg sprach würde mit „Sozialismus" beantwortet.

La Banda Vaga, Juli 2015

\"Still the Enemy within\" - Filmvorführung mit Diskussion

05.06.2015

Veranstaltung der Worker Center Initiative Freiburg am 11.6.2015 um 20 Uhr im SUSI-bewohner*innentreff (Vaubanalle 2)

Als »den Feind im Inneren« hatte Margaret Thatcher die streikenden Bergarbeiter 1984 bezeichnet. Ein Jahr später, vor ziemlich genau 30 Jahren, endete der Streik mit einer Niederlage. Der 2014 gedrehte Film »Still the Enemy Within« ist auch Jahrzehnte später mit seinen Originalaufnahmen und Interviews mit Streikaktivisten Dokumentation, Thriller und Drama zugleich. Der Film zeigt die Strategie und Brutalität der Regierung Thatcher ebenso wie die Entschlossenheit der Miners, die verschiedenen Etappen des Streiks und das Agieren einer Gewerkschaft zwischen Kampf und Gewerkschaftslogik.

Der Film bringt schließlich einen Eindruck der fast weltweiten unglaublichen Solidarität und Sympathie mit den »Miners« -- aber diese Solidarität hat nicht gereicht. Am Ende haben sie alleine gekämpft, obwohl damals alle wussten, worum es ging: Mit der Niederlage der britischen Bergarbeiter 1984/1985 wurde das Tor zur »neoliberalen Konterrevolution« mit aller Macht endgültig aufgetreten.

Vielleicht aus diesem Grund ist »Still the Enemy Within« nicht nur ein historisches Lehrstück in Zeiten, in denen sich die Frage nach dem Ende dieses Neoliberalismus stellt, in Zeiten, in denen weltweit viel gestreikt wird -- sogar hier in Deutschland.

EU erklärt Flüchtlingen offen den Krieg

26.05.2015

Nachdem es im längst zum Massengrab gewordenen Mittelmeer erneut einige grausame Flüchtlingskatastrophen gegeben hat, die ausgelöst wurden durch die Abschottungspolitik der EU, will diese nun handeln, um solche imageschädigenden Bilder in Zukunft zu vermeiden. Die imperialistische Staatengemeinschaft will nun mit dem Einsatz der Armee die Flüchtlinge daran hindern, Europa zu erreichen. Auch die \"größte Friedensbewegung der Welt\" (Ex-Verteidignungsminister Struck), die Bundeswehr, ist schon im Einsatz und hat bereits mehrere Boote versenkt. Die EU will ihren Militäreinsatz auf das ganze Mittelmeer und sogar auf Libyen ausweiten. Nachdem die Verheerungen die der Kapitalismus weltweit produziert und die zu immer neuen failed states führen, die größte Flüchtlingswelle seit dem 2. Weltkrieg ausgelöst hat, versuchen die Staaten des Zentrums nun mit aller Gewalt die Folgen dieser Politik von sich fern zu halten.

„Wohin das Kapital auch geht, der Konflikt folgt ihm"

03.05.2015

Seminar zu weltweiten Arbeiter_innenunruhen mit Christian Frings am 10.05.2015 von 14 bis ca. 18 Uhr in der Fabrik, Habsburgerstrasse 9.

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Oft dominiert in Diskussionen um die Globalisierung das Bild immer schlechter werdender Arbeitsbedingungen, sogar vom Verschwinden der Arbeiter_innenklasse ist immer öfter die Rede. Dieser Vorstellung eines „Wettlaufs nach unten" stellt die amerikanische Autorin Beverly Silver in ihrem Werk \"Forces of Labor\" den umfassenden Versuch, die Dynamiken und Muster des weltweiten Klassenkonflikts zu analysieren entgegen. Der Frage nach der Zukunft der internationalen Weltarbeiter_innenklasse folgend untersucht Berverly Silver die Entwicklung und räumliche Verlagerung von Arbeiter_innenkämpfen der letzten 150 Jahre, ohne diese auf die organisierten Arbeiter_innenbewegungen zu reduzieren. Sie greift dabei sowohl auf die theoretische Tradition des Operaismus, als auch auf die Weltsystemtheorie zurück und schafft durch diese Verbindung eine anregenden Blick auf die weltweiten sozialen Kämpfe. Am Sonntag den 10. Mai wollen wir mit euch und unserem Gast Christian Frings über die Grundlagen, die politischen Implikationen und die Aktualität dieses Konzepts diskutieren.\ Dazu sollten folgende Texte unseres Gastes zur Vorbereitung von allen Teilnehmer_innen des Seminars gelesen werden:

Frings, Christian (2009): Die Ungleichzeitigkeiten der »globalen Revolution«. 1968 im Weltsystem. In: Peter Birke (Hg.): Alte Linke - Neue Linke? Die sozialen Kämpfe der 1968er Jahre in der Diskussion. Berlin: Dietz, S. 49--64.

und

Frings, Christian (2013): Das Kapital - die entfremdete Form der Kommune aus sieben Milliarden. In: Selbsthilfegruppe Ei des Kommunismus (SEK) (Hg.): Was tun mit Kommunismus?! Kapitalismus - \"realexistierender Sozialismus\" ; konkrete Utopien heute. 1. Aufl. Münster: Unrast, S. 256--268.

Alles Verändern!

28.04.2015

1.Die Welt heute

Nimmt man den 1. Mai, immerhin internationaler Kampftag der ArbeiterInnen, zum Anlass über die derzeitige Situation der Welt zu reflektieren, so scheint es zuerst schwer Positives zu entdecken. Noch immer erschüttert die kapitalistische Krise die meisten Staaten der Welt und da eine Wirtschaftskrise zuerst immer eine Krise im Leben der Lohnabhängigen ist, wird dies durch erhöhte Arbeitslosigkeit, sinkenden Löhne und Verelendung breiter Bevölkerungsschichten ersichtlich. Natürlich ist aber auch das Kapital von der Krise betroffen, auch dort gibt es „Verlierer" die pleite gehen, aber eben auch viele Gewinner, sodass es zu einer verschärften Konzentration von Reichtum kommt. Es ist also kein Zufall, dass genau zum Zeitpunkt der Krise die Kluft zwischen Arm und Reich schockierend schnell wächst: Vom kommenden Jahr an werde das reichste Prozent der Weltbevölkerung mehr als die Hälfte des weltweiten Wohlstands besitzen, erklärte die Nichtregierungsorganisation Oxfam. Weil durch die fortschreitende Automatisierung der Produktion immer mehr Arbeit überflüssig wird, geraten weltweit die Löhne und Lebensbedingungen der ArbeiterInnen unter Druck. In Deutschland leben beispielsweise mehr als drei Millionen Menschen unterhalb der Armutsschwelle, obwohl sie erwerbstätig sind.

2.Die überflüssigen Milliarden

Zwar hat es der Kapitalismus geschafft, sich über den gesamten Globus auszudehnen und die Welt nach seinem Bilde umzugestalten, aber ganze Regionen und die dort lebenden Menschen sind zur weiteren Verwertung nicht interessant: einige Regionen Afrikas und der Nahe Osten fallen zunehmend aus den weltweiten Wirtschaftskreisläufen heraus, den Menschen dort fehlt jede Möglichkeit sich nach den Regeln des Kapitalismus über Wasser zu halten. Schlimmer, als sich im Betrieb ausbeuten zu lassen, ist es in diesem Wirtschaftssystem nämlich, nicht einmal dazu die Möglichkeit zu haben - also arbeitslos zu sein. Denn wer keine Arbeit hat, ist in der Logik des Kapitalismus überflüssig. Das ist das Schicksal von immer mehr Menschen auf der ganzen Welt und als Überflüssige werden sie auch behandelt.

Im Kapitalismus wird nicht für die Bedürfnisse der Menschen, sondern nur für den Verkauf von Waren produziert. Wer also, wie die \"überflüssigen Milliarden\", keine Möglichkeit zum Gelderwerb hat, für den wird auch nicht produziert. Die steigende Produktivität, die ja eigentlich allen ein besseres Leben ermöglichen könnte, verschlimmert so deren Situation vielmehr: Weil immer weniger Menschen gebraucht werden, um die wachsenden Warenberge herzustellen, erhalten auch immer weniger Menschen einen Lohn, um an diesem Reichtum überhaupt teilzuhaben. So zerfallen ganze Gesellschaften: Vor dem politischen Kollaps der arabischen Staaten lag die Arbeitslosenquote dort jenseits der 25%.

3. Der Wachstumszwang und die Endlichkeit des Planeten

Wirtschaftliches Wachstum ist Grundlage für das Funktionieren des Kapitalismus - Wachstum ist im Kapitalismus ohne jede Alternative. Dieser Zwang, immer mehr zu produzieren, hinterlässt immer gravierendere Spuren. Auch wenn mittlerweile kaum noch jemand die Umweltkatastrophe leugnet, auf die wir zusteuern, ist innerhalb des Kapitalismus kein Kurswechsel möglich. Das zeigt sich am besten am Beispiel der \"Klimarettungsmaßnahmen\": Alle Staaten sind sich immer einig, dass die CO2-Emissionen gesenkt werden müssen und haben sich vertraglich dazu verpflichtet. Nichts davon führte je zu einem realen Rückgang von Treibhausgasemissionen, im Gegenteil. Nur in einem einzigen Jahr sanken global der Ausstoß von CO², nämlich 2009, als zu Beginn der gegenwärtigen Krise weltweit das Wirtschaftswachstum einbrach. Das zeigt: Die vielbeschworene Klimarettung ist im Kapitalismus nicht möglich. Die notwendigen Emissionsminderungen würden einen Bruch mit dem ökonomischen Wachstumszwang notwendig machen. Es gibt keinen \"grünen Kapitalismus\"!

4. Die Massenflucht aus dem kollabierenden globalen Süden

Außerhalb der Industrienationen nehmen bewaffnete Konflikte, Dürre- Sturm- und Flutkatastrophen, Hungersnöte und Armut zu. In den ökonomisch und politisch zerfallenden Randbezirken des kapitalistischen Weltsystems

  • zynisch \"dritte Welt\" genannt - gibt es für große Teile der Bevölkerung schon längst keine Zukunft mehr. Hunderttausende Menschen machen sich deshalb in der Hoffnung auf ein besseres Leben auf den Weg nach Europa. Über 51 Millionen Geflüchtete weltweit sind kein zu akzeptierender Normalzustand, sondern Ausdruck einer eskalierenden globalen Krise. Armut und Not sind keine Naturkatastrophen, sondern Resultate des kapitalistischen Systems. Es gilt nicht, die Flüchtlinge zu bekämpfen, sondern das System, das Menschen zur Flucht zwingt.

5. Schrecken ohne Ende: Die Zukunft im Kapitalismus

Vor 25 Jahren hieß es, mit dem Ende des Ost-West-Konflikts würde es auch keine großen Kriege mehr geben. Das war offensichtlich schon in den 90ern falsch, heute aber wirkt die Behauptung geradezu grotesk. Kaum eine Weltregion, in der nicht irgendwo Bürgerkrieg herrscht, nicht einmal Europa ist noch die Insel des Friedens, für die man sie lange hielt. Selbst die herrschende Politik leugnet dies nicht. Finanzminister Schäuble etwa - sonst für seinen rigorosen Sparkurs berüchtigt - kündigte an, ab 2017 mehr Geld für die Bundeswehr bereitzustellen: Die Welt sei \"ein gefährlicherer Ort geworden.\"\ Angesichts solcher Bankrotterklärungen der herrschenden Politik, die auf das globale Elend nur die martialische Antwort der immer weiter steigenden Rüstungsausgaben kennt, ist es kein Wunder, dass das bürgerliche Glücksversprechen seine Anziehungskraft verloren hat. So sind die heute jungen Menschen die erste Generation in der Bundesrepublik, die nicht mehr glauben können, es einmal besser als die Eltern zu haben. Für sie klingen selbst die moderatesten Forderungen, wie etwa die 35-Stunden-Woche, nach einer unerreichbaren Utopie. Festanstellung, ein Häuschen im Grünen und eine sichere Rente sind für immer mehr Menschen einem Wechselspiel aus Arbeitslosigkeit, Zeitverträgen, Leiharbeit und unbezahlten Praktika gewichen.

6.Kein Zweites Wirtschaftswunder: Der unerfüllbare Traum von der sozialen Marktwirtschaft

Ein Zurück in eine „gute" und gerechtere Soziale Marktwirtschaft, wie sie so viele fordern, kann es aber nicht geben. Das sogenannte Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit, auf das sich viele Befürworter eines \"gerechten\" Kapitalismus berufen, war eine auf wenige westliche Länder beschränkte Ausnahmesituation, für die es heute keine Grundlage mehr gibt. Das Kapital steckt seit den 1970er Jahren in einer dauerhaften Verwertungskrise, gekennzeichnet durch die massenhafte Produktion von Waren für die es keine KäuferInnen gibt. Zwar kaschiert eine künstliche Nachfrage, die durch immer wahnwitziger anmutende Schuldenberge finanziert wird, diese Krise -- das ihr zu Grunde liegende Problem ist aber nichtsdestotrotz real und lässt eine zweite goldene Phase des Kapitalismus nicht zu.

7. Menschenfeindliche Reaktionen auf die Misere

Da das Glücksversprechen des Kapitalismus bröckelt und zur Durchhalteparole verkommt, gleichzeitig die sozialistischen Bewegungen auch in der \"Dritten Welt\" zunehmend verschwinden, wenden sich viele Menschen anderen \"Weltanschauungen\" und Bewegungen zu. Diese fallen aber oft hinter die Errungenschaften der bürgerlichen Demokratie zurück: Offen menschenfeindliche Ideologien wie der Islamismus, der Hindu-Nationalismus, das evangelikale Christentum usw. begeistern nun unzufriedene Massen. Auch in Europa gewinnen reaktionäre Bewegungen immer mehr an Bedeutung. So gab es etwa in Deutschland 2014 mehr als 150 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und fast wöchentlich kommt es zu rassistischen Demonstrationen - oft mit Duldung und Unterstützung der gesellschaftlichen Mitte.

8.Die Notwendigkeit einer revolutionären Perspektive

Als Antwort auf die sich zuspitzende Krise und die Austeritätspolitik kam es aber in den vergangenen Jahren weltweit auch zu massiven sozialen Kämpfen. Die Bilder des durch Protestierende belagerten Parlaments in Athen dürften noch etlichen Menschen im Gedächtnis sein. Im vergangenen Jahr kam es in den Balkanländern zu einer kurzen, aber wütenden Erschütterung der Staaten, woraufhin sich Versammlungen von Sarajevo bis Tuzla bildeten. Am eindrucksvollsten und kontroversesten artikulierte sich das im \"Arabischen Frühling\": Begonnen von säkularen Kräften wurde der Versuch unternommen, sich der Willkür der Diktatoren zu entledigen. Mittlerweile sind viele dieser Bewegungen jedoch von neuerlichen Diktaturen (Ägypten) oder Bürgerkriegen (Syrien) überrollt worden. Auch die anderen globalen Protestbewegungen von Hongkong über die Türkei bis Brasilien waren bisher nicht erfolgreich. Diese Beispiele zeigen einerseits, dass die Bewegungen noch lokal isoliert sind und begrenzte Ziele verfolgen, sie machen aber auch deutlich, dass sich im gemeinsamen Kampf die individuellen Ängste in kollektiven Widerstand verwandeln können -- abseits von Institutionen wie Gewerkschaften und Parteien und abseits des Staates. Mitunter kann darin eine Gesellschaft anklingen die nicht mehr der Logik \"JedeR gegen JedeN\", sondern dem Prinzip \"Alle für Alle\" folgt. Eine Gesellschaft, in der alle Menschen \"ohne Angst verschieden sein können\".\ Das klingt weit weg und utopisch und für eine befreite Gesellschaft gibt es keine Blaupause - die autoritären Regime des realsozialistischen Ostens sollten ein mahnendes Beispiel sein. Doch nach 200 Jahren technischem Fortschritt im Kapitalismus gibt es keinen materiellen Grund mehr, warum Armut und Verzweiflung noch die Menschheit plagen müssen - die technischen Mittel, den Kapitalismus zu überwinden sind längst da. Und die einzige Alternative ist eine Horrorvision: Das unendliche Fortdauern des unzähmbaren, zerstörerischen Kapitalismus.

Anarchistische Gruppe Freiburg\ Antifaschistische Initiative Freiburg\ La Banda Vaga

Alles verändern! Veranstaltungen um den 1. Mai 2015

27.04.2015

Gemeinsame Veranstaltungsreihe der Gruppen: Anarchistische Gruppe Freiburg, Antifaschistische Initiative Freiburg und La Banda Vaga zum 1. Mai 2015:

Sin Patron -- arbeiten ohne Chef\ Argentiniens instandbesetzte Betriebe in Belegschaftskontrolle\ Als Argentiniens Wirtschaft 2001 zusammenbrach lernten Tausende\ Werktätige Betriebe unter eigener Kontrolle weiterzuführen.\ Heute gibt es mehrere hundert solcher Betriebe in Argentinien,\ zum Teil von der Regierung kooptiert, zum anderen Teil aber\ weiterhin im Aufstand -- wie die Keramikfabrik FaSinPat (Zanón),\ in der nach wie vor alle den gleichen Lohn bekommen und alle die\ gleiche Stimme in der Vollversammlung haben, der höchsten Autorität\ im Werk. Im Buch, im Original herausgegeben von einem\ Verlagskollektiv aus Buenos Aires, gibt es die Geschichten von 10\ derartigen Instandbesetzungen, die in Argentinien „recuperación"\ heißen: Wiederinbetriebnahme, aber auch Genesung. Von Aneignung\ ist meist gar nicht die Rede -- die Betriebe gehören sowieso\ dem Volk. Und konsequenterweise versorgen viele fábricas recuperadas\ ihre Nachbarschaft mit speziellen öffentlichen Diensten wie\ Volksschulen und Benefizveranstaltungen.\ Vorgestellt wird das Buch von Daniel Kulla, der es übersetzt, aktualisiert\ und mit Praxisanregungen angereichert hat.\ Montag, 27. April 2015, 19 Uhr Haus der Begegnung, Landwasser

Lesung: Work (Crimethinc)\ Warum müssen wir, trotz all des technischem Fortschritts, mehr\ arbeiten als je zuvor? Wie kommt es, dass je härter wir arbeiten,\ wir letztendlich im Vergleich zu unseren Bossen umso ärmer werden?\ Warum konzentrieren sich die Leute einzig darauf, ihre Jobs\ zu retten, wenn die Wirtschaft zusammenbricht -- obwohl eigentlich\ von vornherein keine*r die Arbeit mag? Kann der Kapitalismus\ ein weiteres Jahrhundert der Krisen überstehen?\ Übesetzt von einer Crew rund um den anarchistischen Mailorder\ black mosquito ist das Buch „Work" nun auch auf deutsch erschienen.\ Ursprünglich wurde es vom CrimethInc-Collective in den USA\ herausgegeben. Wir laden ein zu Lesung, Buchvorstellung und anschließender\ Diskussion mit Mitgliedern des Übersetzungskollektivs.\ Mittwoch, 29. April 2015, 19 Uhr Hofcafé Corosol, Stühlinger

„Wohin das Kapital auch geht, der Konflikt folgt ihm"\ Seminar zu weltweiten Arbeiter_innenunruhen mit Christian Frings\ Oft dominiert in Diskussionen um die Globalisierung das Bild immer\ schlechter werdender Arbeitsbedingungen, sogar vom Verschwinden\ der Arbeiter_innenklasse ist immer öfter die Rede.\ Dieser Vorstellung eines „Wettlaufs nach unten" stellt die amerikanische\ Autorin Beverly Silver in ihrem Werk \"Forces of Labor\"\ den umfassenden Versuch, die Dynamiken und Muster des weltweiten\ Klassenkonflikts zu analysieren entgegen. Der Frage nach\ der Zukunft der internationalen Weltarbeiter_innenklasse folgend\ untersucht Berverly Silver die Entwicklung und räumliche Verlagerung\ von Arbeiter_innenkämpfen der letzten 150 Jahre, ohne diese\ auf die organisierten Arbeiter_innenbewegungen zu reduzieren.\ Am Sonntag den 10. Mai wollen wir mit euch und unserem Gast\ Christian Frings über die Grundlagen, die politischen Implikationen\ und die Aktualität dieses Konzepts diskutieren. Zur Vorbereitung\ des Seminars stellen wir frühzeitig mehrere Textausschnitte\ auf unsere Hompage. Diese sollten\ von allen Teilnehmer_innen für das Seminar gelesen werden.\ Sonntag, 10. Mai 2015, 14-18 Uhr Fabrik, Habsburger str. 9

Flüchtlingselend und Systemkrise\ Vortrag von Thomas Konicz zu globalen Fluchtursachen\ Über 50 Mio. Flüchtlinge gibt es zurzeit auf der Welt; nach dem\ Zweiten Weltkrieg hat es nie mehr gegeben. Nur die wenigsten von\ ihnen schaffen es bis in unsere Breitengrade und noch viel weniger\ schaffen es überhaupt, der steigenden Zahl gewaltträchtiger Konflikte\ und der nicht-abnehmen-wollenden Armut zu entkommen.\ Was es mit diesen Krisentendenzen weltweit -- als den Hauptursachen\ für steigende Flüchtlingszahlen -- auf sich hat und warum\ in diesem krisenhaften Zusammenhang brutalste Phänomene wie\ ISIS um sich greifen, wird uns der freie Autor und Journalist Tomasz\ Konicz darlegen.\ Montag, 11. Mai 2015, 20 Uhr Uni Freiburg, Kollegiengebäude 1, HS 1098

Infostand am 1. Mai 2015\ Vormittag: Stühlinger Kirchplatz\ Nachmittag: Straßenfest im Grün (Adlerstr. / Rempartstr.)

Wo ist denn die Emanzipation ?

05.03.2015

Wirft man einen Blick in die Zeitung, glaubt man die Frauenbewegung habe keine Daseinsberechtigung mehr, da sie alle ihre Forderungen erfüllen konnte: Es gibt eine Bundeskanzlerin, sogar eine Kriegs-, pardon, Verteidigungsministerin und demnächst eine Frauenquote in den Chefetagen großer Unternehmen und einiges mehr. Doch passt das mit der Realität der Mehrheit der Frauen in diesem Lande zusammen? Ist der Feminismus in der Gesellschaft angekommen? War die Zweite Frauenbewegung der 60er und 70er mit ihren Forderungen erfolgreich?

Die feministischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts haben Rechte erkämpft und Machtstrukturen bekämpft und waren darin auch -- bei aller Kritik -- erfolgreich. Sicherlich wurden die Teilerfolge immer wieder von Rollbacks und rückwärtsgewandten Gegenbewegungen bedroht. Die Stellung der Frau in dieser Gesellschaft hat sich aber im Verlauf dieser Kämpfe verbessert.

Allerdings ist das Frauenbild im 21. Jahrhundert vor allem eines: unemanzipatorisch.

Die Frau ist die liebevolle, fürsorgliche Mutter -- von Natur aus gebärfreudig. Sie ist selbstverständlich berufstätig und darf sich -- obwohl sie meistens einen höheren Schulabschluss hat -- für einen niedrigeren Lohn als ihre männlichen Kollegen abrackern.

Im Schnitt verdienen Frauen 20% weniger als ihre männlichen Kollegen und generell sind Frauen in „frauentypischen" Berufsfeldern beschäftigt, in denen sie sowieso weniger verdienen. Das Armutsrisiko liegt bei Frauen deutlich höher als bei Männern: bei alleinerziehenden Frauen beträgt die Armutsquote ca. 45%.

Lebt sie mit einem Mann zusammen, teilen sie sich die Arbeit im Haushalt -- was in den meisten Fällen nur bedeutet, dass er immer sonntags kocht und sie den Rest macht. Dass er beruflich zurücksteckt, kann sich die Mehrheit der Frauen und Männer nicht vorstellen. Dies ist geschlechtliche Arbeitsteilung, bei der die Frau unbezahlte Arbeit verrichtet.

Damit ist die Frau mindestens einer Doppelbelastung ausgeliefert: Lohnarbeit zu einem niedrigen Lohn und Hausarbeit ohne Ent-lohnung. Diese strukturelle ökonomische Benachteiligung spiegelt sich in dem heutigen regressiven Rollenbild von „Mann" und „Frau" wieder.

Gerade von der Prekarisierung der Arbeitswelt sind Frauen in verstärktem Maße betroffen: Es sind vor allem Frauen, die in Ein-Euro-, Mini- und 450€-Jobs beschäftigt sind; die befristete Verträge, mangelnden Kündigungsschutz und mangelhaften sozial- und arbeitsrechtlichen Schutz haben.

Geradezu mustergültig zeigte sich in den letzten Jahren diese unterschiedliche gesellschaftliche Bewertung von Frauen- und Männerarbeit im Fall von zwei spektakulären Firmenpleiten: Zum einen die Insolvenz des Bauunternehmens „Holzmann" 2002, bei der die Bundesregierung, getragen von einer sympathisierenden Medienberichterstattung, die mehr als 10.000 überwiegend männlichen Arbeitsplätze erst einmal rettete. Dagegen intervenierte der Staat bei der Insolvenz der Drogeriemarktkette „Schlecker" nicht. Insgesamt 23.400 Menschen, in der übergroßen Mehrheit Frauen, verloren ihren Job.

Nicht zuletzt damit zeigt sich, dass rechtliche Gleichstellung nicht viel mit de facto Gleichberechtigung zu tun hat und beides herzlich wenig mit Emanzipation!

Doch die Frage muss eigentlich sein: Was will man mit Gleichberechtigung erreichen?

Emanzipation und Gleichberechtigung sind verschiedene Paar Schuh. Was die Frauenbewegungen des 20. Jahrhunderts erkämpft haben, war eine Annäherung an eine Gleichstellung von Mann und Frau, d. h.: eine gleichgestellte Form der Ausbeutung.

In einem Verhältnis zu leben, in dem ich von meinem Lohn und meinem Chef abhängig bin, ich gerade in der Krise mit Gehaltserhöhungen kürzer treten muss und man hoffen muss, den Job überhaupt behalten zu können, ein Gehalt womöglich nicht reicht um zu leben, ich zugleich schauen muss, dass meine Kollegin nicht befördert wird, damit ich eine bessere Stellung bekomme -- kurz um: in einem Zwangsverhältnis -- unter solchen Verhältnissen kann man sich nicht emanzipieren.

Sicherlich ist die Forderung nach wahrer Gleichberechtigung völlig gerechtfertigt und auch notwendig! Doch die Ausbeutung der Frau in doppelter Weise kann nur durch eine emanzipatorische Bewegung überwunden werden, welche alle Verhältnisse angreift in denen die Frau ein geknechtetes Wesen ist.

Das heißt, die Emanzipation im Kapitalismus ist eine Illusion. Eine emanzipatorische Frauenbewegung muss eine antikapitalistische Frauenbewegung sein!

Protestwelle gegen sexistische Gewalt in der Türkei

26.02.2015

Nach dem brutalen Mord an der jungen Studentin Özgecan Aslan kommt es in der gesamten Türkei zu massiven Protesten gegen die allgegenwärtige sexistische Gewalt. Die Proteste finden in einem immer autoritärer werdenden gesellschaftlichen Umfeld statt, das von der Islamisierungspolitik der AKP-Regierung geprägt wird. Ein immer stärker zunehmender Einfluss des Islams auf die Bildung, neue Sicherheitsgesetze und das Verbot von Streiks und Protesten prägen das Bild. Die antisexistischen Proteste könnten so zu einem neuen Kristallisationpunkt gegen die Erdogan-Regierung werden, so wie es die Gezi-Bewegung 2013 war. Eine gute Möglichkeit zur Solidarisierung mit den Kämpfen in der Türkei bietet der internationale Frauenkampftag am 08. März.