2011

Kein Blut für Öl!

23.12.2011

Seit Mai diesen Jahres streiken in der kasachischen Stadt Szanaozen die ÖlarbeiterInnen für höhere Löhne und „gleichen Lohn für gleiche Arbeit", da ausländische Spezialisten mehr verdienen. Zudem verlangen sie, dass über 900 ihrer KollegInnen wiedereingestellt werden und ihre Anwältin Natalia Sokolova aus der Haft entlassen wird. Jene war zusammen mit dem Gewerkschaftsaktivisten Akzhanat Aminov auf Bestreben der Geschäftsführung hin verhaftet worden und zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Der Gewerkschafter Zhaksylyk Turbaev wurde im August von unbekannten Tätern ermordet. Mitterweile ist Szanaozen laut einem Bericht von der Außenwelt komplett abgeschnitten. Gegen eine Demonstration am Nationalfeiertag wurde von der Polizei scharfe Munition eingesetzt, wobei nach variierenden Schätzungen 50 bis 150 Menschen getötet wurden. Ein ausführlicher Pressespiegel findet sich hier. Eine Online-Petition gegen das brutale Vorgehen des kasachischen Staates kann unterschrieben werden.

Tea-Party in Frankreich

16.12.2011

Nachdem im August allen ArbeiterInnen der Teebeutelfabrik Fralib in Gemenos in der Nähe von Marseille gekündigt wurde, besetzten diese das Werk und planen die Produktion selbstorganisiert weiterzuführen. Das diese Selbstverwaltung in kapitalistischen Verhältnissen nicht zu befreiten Zuständen führen kann, ist den ArbiterInnen laut einer Reportage der Jungle World bewusst. Dennoch versuchen sie so gegen die drohende Verschlechterung ihrer Lebensverhältnisse anzukämpfen. Statt der bisher umweltschädlichen Produktion mit chemischen Zusatzstoffen, wollen die BesetzerInnen auf biologisch hergestellte Pflanzen aus der Provence und auf Fair-Trade setzen um so „bewusste KonsumentInnen" zu gewinnen.

Kosmoprolet \#3 erschienen

09.12.2011

[{.image .image-thumbnail width="141" height="200"}]{.inline .inline-left}Zusammen mit den Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft aus Berlin und der Gruppe Eiszeit aus Zürich präsentieren wir nun nach gut 2 Jahren die dritte Ausgabe von Kosmoprolet. Wie schon in der zweiten Ausgabe dreht sich inhaltlich vieles um die Krise, ihren aktuellen Stand, ihre Auswirkungen und mögliche Perspektiven.

Aus dem Editorial:\ »Indem sie sich bis über beide Ohren verschuldeten, konnten Regierungen in aller Welt die sogenannte Finanzkrise eindämmen; dann präsentierten die Ratingagenturen ihnen die Rechung ... Das Resultat dieses Manövers ist kein neuer Aufschwung sondern eine noch bedrohlichere Krise der Staatsfinanzen ... Die entschlossenen Versuche der Krise Herr zu werden, waren jedoch vergeblich; [...] die Bankenkrise hat sich zu jener Staatsschuldenkrise gemausert, die mittlerweile die Eurozone zu sprengen droht.«

In Freiburg ist die Ausgabe in der Jos Fritz Buchhandlung zu erwerben. Mehr Infos zur aktuellen Ausgabe sowie die Texte von Kosmoprolet Nummer 1 und 2 gibt es auf www.kosmoprolet.org.

Kosmoprolet: Fragebogen zur Leiharbeit

21.11.2011

Der folgende Text, der in der dritten Ausgabe des Kosmoprolets erschienen ist, stellt einen ersten Versuch dar, unsere Intentionen einen Fragebogen zur Leiharbeit zu erstellen und zu verteilen, zu reflektieren. Außerdem enthält er bereits eine erste vorläufige Auswertung der bis zu diesem Zeitpunkt ausgefüllten Bögen.\ Der Fragebogen zur Leiharbeit kann noch immer online ausgefüllt werden.

1\ Anfang 2011 gab es circa eine Million Leiharbeiterinnen1{#footnoteref1_y8qrncx .see-footnote} in Deutschland. Dies ist der bisherige Höhepunkt der vierzigjährigen Entwicklung der sogenannten Arbeitnehmerüberlassung. Erstmals wurde diese 1972 gesetzlich geregelt, seit Mitte der 1980er Jahre kam es zu einer mehrstufigen Ausdehnung der »Überlassungsdauer«, das heißt der Zeitspanne, die Leiharbeiterinnen am Stück an einen Betrieb ausgeliehen werden dürfen. Blieb die Leiharbeit bis in die 1990er Jahre -- mit »nur« circa 140.000 Betroffenen im Jahr 19942{#footnoteref2_cj55d28 .see-footnote} -- noch ein Randphänomen innerhalb der Arbeitsverhältnisse, in das hauptsächlich besonders schlecht gestellte Gruppen, wie zum Beispiel unqualifizierte Arbeiterinnen und Migrantinnen, gezwungen werden, so kam es im Zuge der Reformen der rot-grünen Bundesregierung zu einer enormen Ausdehnung dieses Sektors. Die Höchstgrenze der Überlassungsdauer wurde, ebenso wie das Wiedereinstellungsverbot, völlig abgeschafft. Diese Liberalisierung führte zu einem regelrechten Boom der Leiharbeit. Von 2002 bis 2007 verdoppelte sich die Anzahl der Leiharbeiterinnen, die der Entleihbetriebe verdreifachte sich sogar.3{#footnoteref3_50d1mxs .see-footnote} Dass Unsicherheit nicht, wie die Gewerkschaften propagieren, aus dem Missbrauch der Leiharbeit resultiert, sondern deren Normalität und Zweck darstellt, zeigte sich deutlich beim Ausbruch der Krise 2008, als kurzerhand fast 180.000 Leiharbeiterinnen entlassen wurden.4{#footnoteref4_7xo8yul .see-footnote}

Die Liberalisierung und Ausdehnung der Leiharbeit ist aber keine singuläre Erscheinung, sondern Ausdruck der allgemeinen Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse, die sich seit den 1970er Jahren beobachten lässt. Jobs ohne Aussicht auf längere Beschäftigung, ständiger Wechsel des Wohnorts aufgrund ständig wechselnder Arbeitsplätze und Löhne, die nicht zum Überleben reichen, sind auch in den Metropolen des kapitalistischen Weltsystems keine Ausnahmeerscheinung mehr, sondern werden zum Normalzustand. Im Jahr 2010 waren hierzulande im Schnitt 1,383 Millionen Menschen wegen ihres niedrigen Einkommens zusätzlich auf Hartz IV angewiesen5{#footnoteref5_ito8r7o .see-footnote} und ungefähr zwei Prozent aller Lohnabhängigen befinden sich derzeit in Leiharbeit.6{#footnoteref6_79b9h64 .see-footnote}

Diese Flexibilisierung der Arbeits- und Lebensverhältnisse ist und war aber nicht primär das Werk bösartiger neoliberaler Think Tanks -- auch wenn es diese durchaus gibt -- die den guten, arbeiterinnenfreundlich gesonnenen Keynesianismus mutwillig zerstörten, sondern sind ebenso ein Produkt der Krise des Kapitals, die Anfang der 1970er einsetzte, wie auch eine Reaktion auf die Arbeitskämpfe seit Ende der 1960er Jahre.

2\ Das Ende des Keynesianismus hatte mehrere Gründe, die im Folgenden kurz angerissen werden sollen.7{#footnoteref7_lx1gw47 .see-footnote} Einerseits endete in den 1970ern die Boomphase des kapitalistischen Nachkriegszyklus, die, jedenfalls in den Metropolen, durch eine niedrige Arbeitslosigkeit, relativ stabile Arbeitsverhältnisse und eine starke Ausdehnung des Massenkonsums gekennzeichnet war. Dies galt aber auch in den westlichen Ländern nur für die Stammbelegschaften, nicht für die schon damals prekär lebenden »Ränder« der Arbeiterinnenklasse wie die besonders schlecht gestellten sogenannten Gastarbeiterinnen. Die immer weiter voranschreitende Ausdehnung der Kapitalisierung durch den Massenkonsum gelangte in den 1970er Jahren aber zu ihrem vorläufigen Ende. Gleichzeitig kam es in der Produktion durch die Nutzung neuer Technologien, vor allem des Mikrochips, zu einer außergewöhnlichen Produktivitätssteigerung. Die Folge daraus war, dass immer mehr Waren immer billiger und schneller produziert werden konnten, ohne dass der Markt schnell genug wachsen konnte, um diese Flut an Produkten abnehmen zu können. Die dem Kapitalismus inhärente Tendenz zur Überproduktion wurde dadurch krisenhaft. Neben die ständige Tendenz zur Überproduktion trat auch noch die durch die Konkurrenz zwischen den einzelnen Kapitalen hervorgerufene Neigung, einen immer größeren Anteil ihres Kapitals in Maschinen zu investieren. Dies führte zwar zu einer höheren Produktivität, aber auch zur Abnahme der Möglichkeit, den Mehrwert auch zu realisieren. Besonders durch die Einführung des Mikrochips kam es zu einer sprunghaften Verschiebung innerhalb des Verhältnisses zwischen konstantem Kapital (beispielsweise Maschinen) und variablem Kapital (Lohnkosten), das Marx als organische Zusammensetzung des Kapitals bezeichnet.8{#footnoteref8_0qp6d54 .see-footnote} Da Maschinen aber keinen Mehrwert produzieren können, wird der Anteil des realisierbaren Mehrwerts pro Ware geringer. Zum Ausgleich müsste mehr verkauft werden; unmöglich, wenn eine weitere Ausdehnung des Marktes nicht mehr möglich ist.

Andererseits kam es im selben Zeitraum weltweit zu massiven Arbeitskämpfen, die eine Zeit lang verhinderten, dass das Kapital seine Verwertungsschwierigkeiten durch eine Erhöhung der Ausbeutungsrate auf die Arbeiterinnen abwälzen konnte. In Frankreich konnte 1968 eine Steigerung des Mindestlohns SMIC um 35 Prozent (!) erkämpft werden, und auch in Sektoren, in denen der Mindestlohn nicht galt, wurden die Löhne aufgrund der Kämpfe um mindestens zehn Prozent erhöht. Parallel zu den Lohnerhöhungen schafften es die Arbeiterinnen, in den fünf darauf folgenden Jahren eine wöchentliche Arbeitszeitverkürzung von über sechs Stunden zu erkämpfen.9{#footnoteref9_2ofa0t8 .see-footnote} Obwohl die Lohnerhöhungen in Frankreich bald darauf von der steigenden Inflation aufgefressen wurden, bedeuteten die weltweiten Kämpfe für höhere Lohne und bessere Arbeitsbedingungen, dass die Verwertungskrise nicht sofort durch eine Intensivierung der Ausbeutung gelöst werden konnte; stattdessen führten sie zu einer Verschärfung der Krise.

3\ Das Kapital sah sich also aus zwei Gründen gezwungen, seine bisherige Produktionsweise zu ändern. Einerseits, um wieder profitabel produzieren zu können und einen Weg aus der Verwertungskrise zu finden; andererseits, um die Arbeiterinnenmacht zu brechen und die bisherigen Widerstandsformen des Proletariats unmöglich zu machen. Die Lösung war letztlich recht simpel, sie war in ähnlicher Form bereits zuvor praktiziert worden. Die Produktion wurde in einzelne Zweige aufgespalten und an weitere Standorte, zumeist in der Peripherie, verlagert. Es blieb eine nur relativ kleine Kernbelegschaft in den Zentren zurück.

Hier wurden zum Teil auch Forderungen der Arbeiterinnenkämpfe aufgenommen und auf eine für das Kapital produktive Weise umgesetzt. So ist die Flexibilisierung der Arbeitszeiten durchaus Ausdruck der Arbeitskämpfe der 1960er und 1970er Jahre, die unter anderem gegen die »9 to 5 world« (The Ramones) gerichtet waren; auch flache Hierarchien mögen auf den ersten Blick den Arbeitenden entgegenkommen. Der gewünschte Effekt war jedoch ein anderer: Die Arbeitsbelastung verschärfte sich und das Arbeitspensum stieg. Gleichzeitig kontrollierten sich die Belegschaften selbst und wurden letztlich vielfach Managerin in eigener Sache. Die Internalisierung der kapitalistischen Verhältnisse durch das Individuum ist eines der wesentlichen Ergebnisse des sogenannten Neoliberalismus. Jedes Individuum ist seine eigene Ich-AG und muss sein Leben lang daran arbeiten, seine Arbeitskraft für den Markt in Form zu halten. Dies geht bei der frühkindlichen Förderung los, setzt sich über den Fitness-Kult bis hin zum sogenannten lebenslangen Lernen fort. Nichts wird heute mehr einfach so gemacht, alles dient der Verwertung des eigenen Ichs. Zeitgleich gab es eine Zunahme sogenannter Sweatshops in der Peripherie, in denen unter miesesten Arbeitsbedingungen »just in time« produziert wird. Dieser sowohl technologische als auch räumliche Fix10{#footnoteref10_qplmonl .see-footnote} ermöglichte es dem Kapital, rentabler zu produzieren und gleichzeitig die Arbeiterinnenmacht, jedenfalls fürs Erste, zu brechen.

4\ Dennoch blieben die grundsätzlichen Krisentendenzen der kapitalistischen Produktion bestehen, wie nicht zuletzt die Finanzialisierung des Kapitals, das heißt die Verlagerung des Kapitals von der nicht mehr lukrativen Produktionssphäre in die Finanzwirtschaft, belegt. So stand der Dow-Jones-Index Mitte der 1970er noch deutlich unter der Marke von 1000 Punkten und erhöhte sich um das circa 14-fache auf über 12.000 Punkte im Jahr 2001 und stand 2007 sogar schon über 14.000 Punkten.11{#footnoteref11_wie875d .see-footnote} Während sich die Arbeiterinnen der Peripherie aber in den letzten Jahrzehnten nicht ohne gewisse Teilerfolge wehrten, wie die Klagen der Unternehmer über die Lohnsteigerungen der chinesischen und indischen Arbeiterinnen in letzter Zeit zeigen,12{#footnoteref12_ryaqepm .see-footnote} gelang dies den Arbeiterinnen in den alten Zentren kaum.

5\ Die stetigen Verschlechterungen der Arbeitsverhältnisse in den Metropolen, die etwa in England und den USA schon in den 1980er Jahren mitunter gegen große Gegenwehr durchgedrückt wurden (Stichworte Reaganomics und Thatcherism), konnten in Deutschland erst mit der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder endgültig durchgesetzt werden und fanden ihren Ausdruck in erster Linie in der sogenannten Agenda 2010. Diese beinhaltete neben den berüchtigten Hartz- Gesetzen auch die bereits beschriebene massive Ausweitung der Leiharbeit. Daneben wurden aber auch befristete und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse wie Mini- oder Midijobs und prekäre Formen der Selbständigkeit (etwa die Ich-AGs) sowie staatliche Zwangsarbeitsverhältnisse wie Ein-Euro-Jobs durchgedrückt. Wie erfolgreich die rot-grüne Bundesregierung war, analysiert eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung,13{#footnoteref13_hkf0zk0 .see-footnote} die zeigt, dass sich der Anteil der jungen Erwachsenen in sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen von 1997 bis 2007 mehr als verdoppelt hat. 2007 arbeiten knapp 40 Prozent der Berufseinsteiger in Leiharbeit, als Teilzeitkraft oder in einer befristeten Stelle. Die seit knapp zehn Jahren betriebene Ausdehnung und Liberalisierung der Leiharbeit in Deutschland ist also ein Ausdruck einer allgemeinen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in den alten kapitalistischen Zentren mit dem Zweck, die Arbeitskraft besser zu verwerten. Sie ist für das Kapital notwendig, da die stetig sinkende Profitrate eine Erhöhung der Ausbeutungsrate erfordert.

Anhand der Leiharbeit können mehrere Merkmale dieser Welle beispielhaft aufgezeigt werden. Die Arbeitskraft soll möglichst flexibel und zu einem möglichst geringen Preis ausgebeutet werden. Zusätzlich wird durch das Nebeneinander einer immer kleiner werdenden Kernbelegschaft -- mit relativ sicheren Arbeitsbedingungen und vergleichsweise höheren Löhnen -- und Leiharbeiterinnen, die teilweise wöchentlich ihre Arbeitsstelle wechseln, die Belegschaft gespalten. Auf die Festangestellten dürfte die alltägliche Begegnung mit den schlechter gestellten Leiharbeiterinnen disziplinierend wirken, wenn deren Los als eigene Perspektive im Falle einer Kündigung oder Standortschließung erscheint.

6\ Aus der Analyse der Leiharbeit als Beispiel für die neuen unsicheren, flexiblen und noch schlechter bezahlten Arbeitsverhältnisse können sich daher wichtige Informationen über die veränderten Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiterinnenklasse und deren Kampfbedingungen ergeben. Als Gruppe beschäftigen wir uns daher seit Längerem mit dem Thema Leiharbeit. Neben der Diskussion von Erfahrungen und Texten engagierten wir uns im »Bündnis gegen Leiharbeit«, das mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen in Freiburg versuchte, die Problematik der Leiharbeit an konkreten Beispielen aufzuzeigen. Es wurden mehrere Stadtspaziergänge durch die Freiburger Innenstadt, eine Filmreihe und Informationsveranstaltungen im örtlichen Autonomen Zentrum, in (nicht szenetypischen) Kneipen und in einem Stadtteilzentrum organisiert. Dazu wurden mehrere Flugblätter zum Thema geschrieben und verteilt.

Der Organisationsaufwand und der Papierausstoß waren also groß, jedoch blieb die erhoffte Resonanz seitens der Leiharbeiterinnen aus. Stattdessen fand sich auf Veranstaltungen eine zwar wohl gelittene, aber altbekannte Klientel ein. Diese Form der politischen Arbeit schien am Interesse der Arbeiterinnen vorbei zu gehen. Offenbar war es nötig, mit ihnen in einen Dialog zu treten, anstatt ihnen unsere »fertigen« Analysen ihrer Situation in Form von Flugblättern oder Redebeiträgen vorzusetzen. Aus dieser Überlegung heraus versuchten wir, angelehnt an frühere Versuche, wie sie unter anderem von Marx bis hin zu den Operaisten unternommen worden waren, einen Fragebogen zu entwickeln, der sich speziell an Leiharbeiterinnen richtet; einerseits um in Kontakt mit Leiharbeiterinnen außerhalb unseres eigenen sozialen Netzes zu treten und so einen Einblick in deren Lebens- und Arbeitsrealitäten zu gewinnen. Andererseits wollten wir jedoch nicht unsere kritische Position aufgeben und nur passiv Informationen sammeln, sondern durch bestimmte Fragen zur Bewusstseinsbildung beitragen; wir wollten uns nicht als Analytiker der heutigen Klassenstruktur auf Grundlage einer wissenschaftlich »neutralen« Position darstellen, sondern strebten einen Austausch »auf Augenhöhe« an.

Besonders zwei Intentionen unterscheiden dabei unsere Herangehensweise von der einer soziologischen Untersuchung. Erstens wollen wir keine Untersuchung von außen betreiben. Wir sind nicht nur nach unserer Stellung im Produktionsprozess als Festangestellte, Leiharbeiterinnen, Auszubildende, Studierende und Arbeitslose Teil der selben Klasse, sondern auch unseren Anliegen nach. Wir wollen eben nicht objektive Studien über die heutige Realität von Arbeiterinnen betreiben, sondern den gemeinsamen Kampf stärken: Nicht für die Klasse, sondern als Teil von ihr. Zweitens wollen wir -- und das ergibt sich aus unserem oben dargestellten Verhältnis zur Klasse -- nicht innerhalb der Produktionsverhältnisse Probleme aufdecken, um sie zu lösen; wir wollen die Widersprüche also nicht glätten, sondern sie zuspitzen. Dieser Anspruch, ohne den eine solche Untersuchung sinnlos wäre, ist theoretisch leicht formuliert und wird kaum Widerspruch von Seiten emanzipatorisch eingestellter Menschen ernten. In der Realität ist diese Abgrenzung zur Soziologie bei weitem schwieriger. Wie können wir die gewonnenen Erkenntnisse auch einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stellen oder gar eine Anleitung zu einem Handeln daraus ableiten, das nicht auf eine kosmetische Besserung der Verhältnisse zielt, sondern auf deren Aufhebung? Der vorliegende Fragebogen ist somit eher als ein Instrument zu sehen, mit dem Menschen zum Nachdenken über ihre Situation angeregt werden sollen. Sicherlich wäre es auch wünschenswert, einen kontinuierlicheren Austausch herzustellen, um daraus eine gemeinsame Praxis abzuleiten.

7\ Der Fragebogen wurde in Freiburg an verschiedenen Stellen ausgelegt, an denen er auch ausgefüllt zurückgegeben werden konnte, zusätzlich wurde er an verschiedene Portale und Foren im Internet verschickt und steht auf unserer Homepage bereit. Dort wurde der Bogen dann auch von einer Reihe Menschen ausgefüllt. Hier ein erster kurzer Überblick über die beantworteten Fragebögen. Als erstes Ergebnis lässt sich festhalten, dass es »die Leiharbeit« nicht gibt, sondern dass die beschriebenen Arbeitsverhältnisse sich deutlich unterscheiden. Auch innerhalb der Leiharbeit gibt es bessere und schlechtere Jobs. Die Leiharbeiterinnen, die unseren Bogen ausgefüllt haben, arbeiten alle in verschiedenen Firmen, und zwar sowohl in Hinblick auf die Entleih- als auch auf die Verleihfirmen, so dass wir einen relativ breiten Überblick über die Arbeitsfelder erhielten. Diese erstreckten sich vom Produktionsbereich (etwa in einer Fahrradfabrik) über den Einzelhandel bis hin zu Bürotätigkeiten in der Verwaltung. Keine und keiner derjenigen, die den Fragebogen ausgefüllt haben, wird ihrer/seiner Ausbildung entsprechend bezahlt. Der Stundenlohn bewegte sich bei allen im Niedriglohnbereich zwischen 5,00 und 7,90 Euro. Die Beschäftigungsdauer variierte hingegen stark: von zwei Monaten bis zu vier Jahren. Ebenso unterschiedlich war das Verhältnis der Leiharbeiterinnen zu den Festangestellten in den Betrieben, es lag zwischen 30 : 1 und 40 : 700. Auch das Zahlenverhältnis zwischen Frauen und Männern und Menschen mit und ohne deutschen Pass variierte je nach Branche erheblich. Der lange Teil des Fragebogens, der Streiks, Organisierung und Gewerkschaften betrifft, wurde mangels Kämpfen nur sehr sporadisch ausgefüllt. Auffällig war, dass sich keiner der Ausfüllenden von den Gewerkschaften vertreten fühlt und kaum Hoffnung in politische Organisationen, wie Parteien oder außerparlamentarische Gruppen, besteht. Lediglich die Linkspartei und die radikale Linke wurden vereinzelt genannt. Dies ist eine erste Gemeinsamkeit der Antworten, die insgesamt ein zwar illusionsloser, aber resignierter Ton durchzieht. Obwohl man mehr schlecht als recht über die Runden kommt, hat kaum jemand Hoffnung, dass die eigene Lebenssituation besser werden könnte.

Die Chancen, einen »regulären« Job zu bekommen oder frühzeitig in Rente gehen zu können, werden pessimistisch gesehen, ebenso herrscht Pessimismus im Hinblick auf mögliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der Leiharbeit. Somit ergibt sich aus den ausgefüllten Fragebögen zusammenfassend, dass die Leiharbeit die Menschen noch mehr fertig macht als die »normale« Lohnarbeit. Das Kapital stört sich daran sicherlich zuletzt.

Ob sich daraus auch Chancen ergeben? Erhöht beispielsweise die Tatsache, dass man sich von Parteien und Gewerkschaften -- die sonst dafür zuständig sind, Kämpfe in geordnete Bahnen zu lenken -- nichts erhofft, die Wahrscheinlichkeit, dass zu selbst bestimmten Kampfformen gegriffen wird? Das lässt sich aus den Antworten nicht ableiten. Zumindest verhindern die ständigen Wechsel von einem Betrieb zum anderen, aber auch von einer Tätigkeit zur anderen es weitgehend, dass sich in der Leiharbeit der reaktionäre »Produzentenstolz« entwickelt. Und dieser hat sich noch immer als Hemmnis für den Kampf gegen die Lohnarbeit erwiesen.

  • [1. Im folgenden Text wird ausschließlich der weibliche Genus verwendet.]{#footnote1_y8qrncx}
  • [2. http://www.bpb.de/wissen/5ZCX6D]{#footnote2_cj55d28}
  • [3. http://www.bpb.de/files/OM11VQ.pdf]{#footnote3_50d1mxs}
  • [4. Bundesagentur für Arbeit, Der Arbeitsmarkt in Deutschland: Zeitarbeit - aktuelle Entwicklungen, www.arbeitagentur.de]{#footnote4_7xo8yul}
  • [5. http://m.zdf.de/h/1/0,6741,8238957,00.html]{#footnote5_ito8r7o}
  • [6. http://www.bza.de/fileadmin/bilder/2011/Zeitarbeitsstatistik.pdf]{#footnote6_79b9h64}
  • [7. Eine genauere Auseinandersetzung mit diesen Gründen findet sich in: Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft, Thesen zur Krise, Kosmoprolet 2 (2009), 16-49.]{#footnote7_lx1gw47}
  • [8. Karl Marx, Das Kapital. Erster Band, Marx Engels Werke, Bd. 23, 640ff.]{#footnote8_0qp6d54}
  • [9. Mouvement Communiste, Der Mai/Juni 1968. Eine verpasste Gelegenheit der Arbeiterautonomie, Beilage zur Wildcat 81 (2008).]{#footnote9_2ofa0t8}
  • [10. Beverly Silver, Forces of Labor. Arbeiterbewegungen und Globalisierung seit 1870, Berlin, Hamburg 2005.]{#footnote10_qplmonl}
  • [11. Samuel H. Williamson, Daily Closing Value of the Dow Jones Average, 1885 to Present, MeasuringWorth, 2011, www.measuringworth.com/DJA/]{#footnote11_wie875d}
  • [12. Vgl. China verabschiedet sich von Billigproduktion, Wirtschaftswoche, 16.6.2010; Turnschuhfertigung in China ist Adidas zu teuer, Die Welt, 26.7.2008.]{#footnote12_ryaqepm}
  • [13. Berufseinsteiger bekommen kaum noch feste Stellen, Die Welt, 13.9.2010.]{#footnote13_hkf0zk0}

\"Frühschicht\"-Vortrag fällt leider aus!

14.11.2011

Der für den 15.11.2011 geplante Vortrag zu \"Frühschicht - Linke Fabrikinterventionen seit den 1970er Jahren\" muss aufgrund einer Erkrankung des Referenten leider ausfallen. Der Vortrag wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.

Buchvorstellung \"Frühschicht - linke Fabrikinterventionen seit den 1970er Jahren\"

30.10.2011

Am 15.11.2011 präsentieren der Rosa Luxemburg Club Freiburg und La Banda Vaga die Buchvorstellung von Jan Ole Arps \"Frühschicht - Linke Fabrikinterventionen seit den 1970er Jahren\". Diese findet um 19:00 Uhr im Hörsaal 3043 im Kollegiengebäude III der Universität Freiburg am Platz der Universität 3 statt.

Klaus Franz hat es getan, Berthold Huber hat es getan, Joschka Fischer hat es getan.

«Ich wusste nicht, was auf mich zukam. Aber ohne die Arbeiterklasse hatten wir keine Chance, die Welt zu verändern, so viel war klar.» Das schreibt Harry Oberländer 1977, einige Jahre nachdem er als revolutionärer Aktivist bei Opel in Rüsselsheim angeheuert hatte. Vom Studenten zum Arbeiter.

Was heute kaum vorstellbar klingt, war Anfang der 70er Jahre weit verbreitet. Auf die antiautoritäre Revolte von 1968 folgte für viele der Schritt in die Produktion; einige Tausend junge Linke tauschten den Seminarstuhl gegen die Werkbank ein, um die Arbeiterklasse für Revolution und Kommunismus zu begeistern.

Inzwischen ist Klaus Franz (ehemals Mitglied der maoistischen KPD/AO) Betriebsratsvorsitzender bei Opel, Berthold Huber (ehemals Mitglied in der Vorgängerorganisation der MLPD) Vorsitzender der IG Metall, und Joschka Fischer (ehemals Revolutionärer Kampf, Frankfurt) war der erste grüne Außenminister und berät nun deutsche Unternehmen aller Sparten.

Über die bunte Vielfalt der linken «Betriebsintervention» ist hingegen kaum noch etwas bekannt. Ebenso fast vergessen: Auch in bundesdeutschen Fabriken herrschten in jenen Jahren keineswegs nur Ordnung, Fleiß und Disziplin. Zwar ließen sich die westdeutschen ArbeiterInnen anders als in Frankreich oder Italien nicht von der revolutionären Begeisterung mitreißen, die die Universitäten erfasst hatte, doch wilde Streiks waren häufig und hohe Lohnabschlüsse die Regel.

Der Vortrag geht der Faszination nach, die diese Ereignisse auf die rebellischen StudentInnen hatte. Es behandelt die K-Gruppen, die sich an Lenins Modell der Kaderpartei orientierten, ebenso wie die Spontis, deren Schlachtruf «Wir wollen alles» lautete und die die These von der Autonomie der Arbeiterkämpfe in der Fabrik erproben wollten. Es zeichnet den Weg junger Linker in die Betriebe nach und schildert, welche Erfahrungen sie dort machten. Damit handelt es vom Konflikt zwischen revolutionären Wünschen und den Mühen des Alltags, von Begeisterung und Ernüchterung über die Arbeiterklasse und von der Krise der autoritären Disziplin, die zur Krise der Großfabrik und der an ihr orientierten politischen Ansätze beitrug.

Jan Ole Arps, Jahrgang 1978, hat Politikwissenschaft studiert. Er lebt in Berlin, ist Redakteur bei «ak -- analyse & kritik» in der Gruppe FelS (Für eine linke Strömung) und dem Euromayday Netzwerk aktiv und arbeitet -- wenn möglich -- als freier Autor., in der Gruppe FelS (Für eine linke Strömung) und dem Euromayday Netzwerk aktiv und arbeitet -- wenn möglich -- als freier Autor.

Wem gehört die Stadt?

07.10.2011

Am 29.10.2011 findet um 14 Uhr ab Bertholdsbrunnen eine Demonstration unter dem Motto: \"Wem gehört die Stadt? Gegen Verdrängung. Mieten stoppen. Eine Stadt für Alle\" statt.\ Die Wohnungsfrage ist in Freiburg schon seit einigen Jahren die bedeutendste soziale Auseinandersetzung. Von MieterInnenprotesten gegen immer weiter steigende Mieten, über den verhinderten Versuch die städtischen Wohnungen zu privatisieren bis hin zu Kämpfen um Wagenplätze und \"autonome Freiräume\" reichte das Spektrum der Konflikte. Mit der Demonstration sollen diese Kämpfe nun zusammengebracht werden. Denn wessen Welt ist die Welt?

Jetzt also die USA!

07.10.2011

Junge Menschen, die von der Krise besonders hart durch Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und überhaupt durch eine fehlende Zukunftsperspektive betroffen sind, besetzen öffentliche Plätze, demonstrieren für ein anderes Leben und werden von der Polizei verprügelt und verhaftet. Diese Bilder kannten wir bisher nur aus Tunesien, Ägypten, Israel, Spanien, Griechenland und und und... Doch jetzt hat die globale Protestwelle auch die USA erreicht. Nach den massiven Protesten in Wisconsin und den Gefangenstreiks und --kämpfen nehmen sich Protestierenden nun die globalen Krisenproteste zum Vorbild. Nachdem die Proteste erst auf New York beschränkt waren, breiten sie sich nun über das ganze Land aus und immer größere Teile der Bevölkerung beteiligen sich. Die Krisenproteste haben jetzt also die Zentren des kapitalistischen Weltsystems erreicht.

Soziale Bildungsproteste in Chile

20.08.2011

In Chile protestieren SchülerInnen, LehrerInnen und Studierende seit Monaten für kostenlose Ausbildung an Schulen und Universitäten. Seit der massiven Privatisierungswelle, während der Pinochet-Diktatur, kostet das Studieren an den Universitäten und einen Großteil der Schulen so viel Geld, dass deren Besuch für die Mehrheit der Bevölkerung nicht möglich ist und für die meisten Anderen eine unerträgliche finanzielle Belastung darstellt. Nach mehreren Protesten mit über 100.000 TeilnehmerInnen, geriet der chilenische Staat so unter Druck, dass er in den letzten Wochen mehrere Demonstration verbot, daraufhin ging die Polizei brutal gegen die DemonstrantInnen vor und verhaftete fast 900 Protestierende.

Stoppt das Massaker in Syrien!

10.08.2011

Seit Beginn der „syrischen Revolution" vor einigen Monaten geht die Assad-Diktatur mit brutaler Gewalt gegen die Protestierenden vor. Demonstrationen werden von Scharfschützen zusammengeschossen, tausende Menschen verschleppt, Städte die im Verdacht stehen oppositionelle Hochburgen zu sein von Panzern beschossen usw. Doch trotz dieser unfassbaren Brutalität gehen die Menschen in Syrien immer noch zu hunderttausenden auf die Straßen in der Hoffnung die Diktatur zu stürzen. Mögen sie erfolgreich sein.

Arabische Zustände in Spanien?

22.05.2011

Schwappt die arabische Revolution jetzt nach Europa? Zumindest in Spanien demonstrieren Zehntausende gegen die etablierten Parteien. Sie besetzen nach ägyptischen Vorbild öffentliche Plätze und fordern eine umfassende Umwälzung des politischen Systems. Spanien ist von der globalen Krise des kapitalistischen Weltsystems besonders schwer getroffen. Selbst nach offiziellen Zahlen beträgt die Arbeitslosigkeit 21,3%, unter Jugendlichen sogar 43,5 %. Noch hat sich die Kritik nicht zu einer umfassenden Infragestellung von Ökonomie und Politik radikalisiert. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Eine paar Bemerkungen zum Wandel der arabischen Welt

20.05.2011

Im Folgenden dokumentieren wir einen Text der Gruppe \"Lichtstrahlen\", den diese uns als Diskussionsbeitrag zu unserem Text »Walk like an Egyptian« geschickt haben. Wir bedanken uns ausdrücklich für die Zusendung bei den GenossInnen. Nur durch gegenseitige Kritik und Diskussion kann es zu einem revolutionären Prozess kommen.

Ein paar Bemerkungen zum Wandel der arabischen Welt

Die arabische Welt ist im Wandel. Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit hat sich eine Revolution so schnell ausgebreitet, wie es in diesen Tagen der Fall ist. Was als einfacher Protest gegen miserable Zustände in Tunesien und Algerien begann, hat sich ausgebreitet über Libyen nach Saudi Arabien, bis an die Ölstaaten und sogar bis nach China. In Tunesien und Ägypten wurden die Autokraten bereits verjagt, in Libyen stehen die Zeichen auf Bürgerkrieg. Ägypten, politisch wie militärisch stärkstes Land der Region, wird zum Zentrum des Aufstands.

1.\ Obwohl die BerichterstatterInnen der bürgerlichen Presse anderer Meinung sind, handelt es sich hierbei nicht um eine spontane Wut über die Missstände, oder eine plötzliche Welle von Unmut. Revolutionen geschehen niemals „einfach so aus dem Nichts heraus". Die eigentlichen Ursachen für die Vorfälle sind schon viel früher zu beobachten. Als Mubarak 1981 in Ägypten die Macht ergriff, betrieb er eine Politik der Westöffnung, die den modernen Kapitalismus in das bis dahin rückständige Land brachte. Die InvestorInnen waren fast ausschließlich ausländisch, was nicht nur die unteren, sondern auch die oberen Schichten aufbrachte, die mit den neuen KonkurrentInnen nicht mithalten konnten, und schnell ins Hintertreffen gerieten. Da das Kapital auf die ägyptischen Arbeitskräfte nicht angewiesen war, da es über eigene besser ausgebildete verfügte, stieg die Arbeitslosigkeit und die damit verbundene Armut des neuen Prekariats rapide an. Erste Unruhen gab es bereits 1984, als der Brotpreis erhöht werden sollte. Des Weiteren bewirkte die Westöffnung, dass der bis dahin geächtete Großgrundbesitz wieder ins Land kam und die KleinbäuerInnen in die Städte getrieben wurden. Dieser der „ursprünglichen Akkumulation" ähnelnde Prozess schuf eine neue Klasse, die es bis dato in Ägypten nicht -- oder nur vereinzelt -- gegeben hatte: das moderne Proletariat. Die immer noch hohe Erwerbslosigkeit führte auch zum sinken der Wirtschaftshilfe aus den USA, die vorher bei über einer Milliarde US-Dollar lag. Diese Arbeitslosigkeit traf nicht nur die unteren Schichten, sondern auch und vor allem die gebildeten ArbeiterInnen, AkademikerInnen und Co. Seit 2004 gab es deswegen in Ägypten mehr oder weniger starke Proteste und Unruhen, die schließlich zur Gründung der Graswurzelbewegung „Kifaja" führten, die sich aus allen Teilen der Bevölkerung zusammensetzt. Kifaja ist aber nicht der alleinige Träger der Proteste: nachdem Einbruch der Wirtschaftskrise, die Ägypten besonders schwer traf, bildeten sich illegale Gewerkschaften, da die einzige legale Gewerkschaft systemkonform war und noch nie in der ägyptischen Geschichte einen Streik unterstützt hat. Diese illegalen Gewerkschaften traten aggressiv auf und organisierten Streiks im ganzen Land, sobald es zu Angriffen des Kapitals kam. So erschütterte in den Jahren 2009 und 2010 eine Welle von Massenstreiks das Land. Die Ursachen für die Unzufriedenheit der Menschen liegen also viel weiter zurück, als ein oberflächlicher Blick vermuten lässt.

2.\ Nach dem Mord an einem systemkritischen Blogger auf offener Straße am 6. Juni 2010, gründete sich im sozialen Netzwerk Facebook die Gruppe „We are all Khaled Said", die heute über 100.000 Anhänger zählt. Nach dem Wahlbetrug im November 2010 gab es neuerliche Streiks und Proteste, die Wut stieg kontinuierlich an. Dieses schon lange brodelnde Fass wurde durch den Suizid eines armen Gemüsehändlers, der eigentlich ausgebildeter Informatiker war und wie viele Menschen in der Region aufgrund von Arbeitslosigkeit sein Gewerbe ändern musste, zur Explosion gebracht. Die grauenvolle Situation dieses Mannes steht hierbei sinnbildlich für die allgemein schlechten Lebensbedingungen im internationalen Krisenkapitalismus. Von Tunesien schwappte die Welle der Aufstände auch nach Ägypten über. Die Revolte bediente sich dabei einem Medium, über das der Staat keine, oder nur beschränkte Kontrolle hatte. Über das Internet gab es Aufrufe für Demonstrationen, auf Facebook und auf vielen Blogs, die eilig ins Netz gestellt wurden. Hunderttausende folgten diesen Aufrufen. Allerdings ist hierbei auch zu sagen, dass die Proteste nicht so friedlich Verliefen, wie manche Medien denken ließen. Es kam zu Straßenkämpfen mit der verhassten und korrupten Polizei, auf die die zum Großteil jugendlichen DemonstrantInnen allerdings bestens vorbereitet waren. Zu erwähnen wären hier auch die Kairoer Ultras, die Barrikaden errichteten, bestens organisiert auftraten und sogar die Logistik übernahmen. Mubarak versuchte Chaos auszulösen und die Proteste zu diskredieren, in dem er die Polizei zurück pfiff, was jedoch fehlschlug. Die Forderungen der Bewegung bezogen sich vorerst freie Wahlen, die Einhaltung der Menschenrechte, Mubaraks Rücktritt und die Reform der Verfassung.

3.\ Zu Beginn kamen die Auslöser und Hauptakteure des Aufstands aus der jungen Mittelschicht und aus den Reihen die schon genannten gut ausgebildeten arbeitslosen AkademikerInnen. Das lässt sich schon daran erklären, dass nur 16% der Ägypter über einen Zugang zum Internet verfügen, welches ja maßgebliche für die Revolte verantwortlich war. Zu diesem Spektrum zählt z.B. auch die „Jugendbewegung des 6. April", die sich als Unterstützungskomitee zu einem der bedeutendsten Streiks der letzten Jahre gegründet hatte, und zu der sich heute etwa 100.000 Leute zugehörig fühlen. Auf die Mittelschicht folgten die Armen und Proletarisierten aus den Vorstädten und Slums, die eigentlich den ersten Schritt hätten machen können, allerdings nicht über die nötige Vernetzung verfügten. Das die Unterschicht auf die Straße ging, hatte zur Folge, dass sich die Polizei stark verunsichert zurückzog, da sie ihre Leute zum Großteil aus eben jener Schicht rekrutiert. Dadurch wurde die Bewegung zu einem Massenaufstand. Auch die illegalen Gewerkschaften, die schon vorher Arbeitskämpfe geführt hatten, schalteten sich jetzt ein und nahmen auch politisch Stellung. Der schiere Pluralismus des Aufstands ist in dieser Angelegenheit seine größte Stärke. Die Bewegung lässt sich nicht einfach als Unzufriedenheit einzelner Gruppen darstellen, schon gar nicht nach dem sich auch noch ältere Generationen eingeschaltet haben. Allerdings ist der schnelle Umsturz im Land nicht allein Verdienst des Volkes. Wichtige Unterstützung erhielten sie vom Militär, das die Forderungen der Demonstranten für legitim erklärte, und auch Teilen der alten Regierung, die mit der bisherigen Politik Mubaraks unzufrieden waren. Hauptgrund dafür ist die Kapitalvergabe an ausländische Investoren, die die einheimischen Eliten viel Macht und Geld gekostet hat. Ebenfalls wichtiger Akteur ist die islamistische Moslembruderschaft, die sich hauptsächlich aus der Mittelschicht und Unternehmern zusammensetzt. In der Vergangenheit richtete sie ihre Taktik auf eine Art Entrismus, mit dem sie Staat und Wirtschaft unterwandern wollte, war jedoch bis jetzt wenig erfolgreich.

4.\ Die momentane Lage stellt sich als sehr schwierig und komplex dar und obwohl die großen Probleme jetzt erst noch kommen, so ist doch zumindest schon mal eine Forderung der Demonstranten erfüllt: Mubarak ist weg. Am autokratischen Regime hat sich allerdings wenig geändert. Die Übergangsregierung besteht quasi komplett aus den alten Mächten, und das beim Volk sehr beliebte Militär, dass schon seit der 1952 alle Fäden in der Hand hat, hat neue Wahlen erst in sechs Monaten angekündigt. Ob das Militär dies auch einhalten wird, ist nicht gewiss. Durch die gegebene Entwicklung hat es seine alte Macht wiedererlangt, wodurch sich von selbst erklärt, dass es die Revolte zumindest passiv unterstützte. Durch neue Wahlen würde der ganze Einfluss wieder zunichte gemacht, schlimmer noch: ein neuer Präsident könnte dem Militär noch mehr Macht wegnehmen, als es jemals vorher besaß. Denn ob eine demokratische gewählte Regierung eine Armee toleriert, die über solch immense Macht besitzt, wie die ägyptische, was sich schon daran zeigt, dass sie über eigenes Kapital verfügt, ist sehr fraglich. Zwar kündigte die Militärregierung Reformen an und manche davon wurden auch schon durchgesetzt, aber das gewaltsame Vorgehen der Soldaten gegen friedliche DemonstrantInnen am 8. März zeigt sehr deutlich, welche Machtansprüche das Militär besitzt. Noch schwammiger wird es beim Thema internationale Beziehungen, vor allem beim Verhältnis zu Israel. Zwar kündigte die Übergangsregierung an, den Friedensvertrag unangetastet zu lassen, doch Antisemitismus und Antizionismus sind in den arabischen Ländern leider keine Seltenheit. Inwiefern diese Strömungen -- vor allem die Moslembruderschaft - also Einfluss auf den außenpolitischen Kurs Ägyptens bekommen, wird wohl fürs erste offen bleiben. Die alte Polizei, die jetzt nicht mehr in Uniform auf den Straßen zu sehen ist, scheint sich in Auflösung zu befinden. Teile ihrer Mitgliederschaft demonstrierten vor diversen Staatseinrichtungen für höhere Löhne und Immunität für vergangene Verbrechen, andere Teile schlossen sich gar den Aufständischen an.

5.\ Nach der Flucht Mubaraks scheinen sich nun auch Risse in der vorher einigen Oppositionsbewegung aufzutun. Beim weiteren Vorgehen nach dem Sturz des Diktators gehen Ziele und Meinungen weit auseinander. Während die bürgerliche Protestbewegung auf eine neue und bessere Herrschaft, bloß diesmal durch eine demokratische Regierung aus ist, und sich schon teilweise von den Straßen zurückgezogen hat, gehen die Streiks der illegalen Gewerkschaften weiter. Die Moslembruderschaft, die sich bis jetzt im Hintergrund hielt, kündigte neuerdings auf ihrer Internetseite an, mehr Einfluss auf das Militär nehmen zu wollen. Sie besitzt einiges an Macht im Land, und sollte auf keinen Fall unterschätzt werden. Die bis dahin relativ einige Oppositionsbewegung wird wahrscheinlich an den unterschiedlichen Ansichten auseinander brechen -- es sei denn, das Militär oder jemand anderes richtet eine neue Diktatur ein, die die Massen in ihrem Hass (auf diese Diktatur) wieder einen würde. Die Konflikte traten nicht nur theoretisch, sondern auch offen auf auf. Am 8. März kam es sogar schon zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems mit mehreren Toten. Wichtig ist jetzt in erster Linie, dass die Bewegung zwar einerseits einheitlich genug bleibt, wenn sich nicht von den alten Mächten zerschlagen werden will, und damit sie genug Kraft auf die Straßen bringt, aber andererseits, dass sich die emanzipatorischen Kräfte von den reaktionären und bürgerlichen Protesten abspalten. Es ist ein sehr schwieriges Unterfangen, das es zu meistern gilt.

6.\ Obwohl so mancher Blödmann aus irgendeiner geschichtlichen Logik ableitet, dass es sich bei der Revolte nur um einen bürgerlichen Schritt in der Weltgeschichte handelt, so ist sie doch weit mehr als das. Zwar mögen die Auslöser der Revolution die Mittelschicht und die jungen, gebildeten Menschen gewesen sein, doch der eigentliche Antrieb der Revolte kam von der Wut des ägyptischen Prekariats, eine Wut über die miserablen Lebensumstände und die eigene Unbrauchbarkeit für das Kapital. Diese Wut wird auch nicht dadurch zum ersticken gebracht, dass einfach eine neue Regierung gewählt wird. Der Staat steht diesen Menschen die er selbst aus ihren Fabriken getrieben hat, vollkommen ratlos gegenüber. „Den Wütenden kann nichts mehr angeboten werden, sie eignen sich nur noch als Schreckgespenst für andere: An ihnen wird entweder das Elend der Armut oder das Gewaltmonopol des Staates zur Schau getragen." (Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft, 28 Thesen zur Klassengesellschaft) In diesem Sinne reihen sich die Proteste auch ein in die Aufstände in den Pariser Banlieues 2005, Griechenland 2008, sowie im Iran 2009. Die Forderung der ProletarierInnen und Prekarisierten -- ein besseres Leben -- ist nicht innerhalb der Verwertungszwänge des Kapitals zu haben, und es gibt absolut keinen Grund, warum sich dies bei einer bürgerlichen Regierung ändern sollte. Die Aufstände und Streiks der ArbeiterInnen und Arbeitslosen gehen weiter, und zwar unabhängig von den anderen Protesten. Genau wie im Iran übt man sich auch schon teilweise in Selbstorganisation, und mancher Orts wurden bereits ArbeiterInnenkomitees gebildet. Wenn die Proletarisierten Erfolg haben wollen -- in welcher Weise auch immer -- geht das nur durch die Eigenständigkeit ihrer Proteste, und durch Organisationsformen, die nicht wieder in die Bürokratie westlicher Gewerkschaften verfallen. Doch selbst wenn ihre Aktionen dieses Mal unterdrückt werden sollten -- ganz abzuwenden sind sie nicht mehr.

Gruppe »Lichtstrahlen«\ am 10. März 2011

Zeitarbeitsgewerkschaft nicht tariffähig

31.03.2011

[{.image .image-_original width="142" height="200"}]{.inline .inline-left} In seiner Entscheidung vom 14.12.2010 hat das Bundesarbeitsgericht der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) die Tariffähigkeit aberkannt. Die CGZP hatte 2003 den ersten bundesweiten Flächentarifvertrag für Zeitarbeitsunternehmen abgeschlossen, doch bereits ab Ende 2007 wurde ihre Tariffähigkeit bezweifelt.

Das Schöne daran: wenn Du in den letzten Jahren einen Arbeitsvertrag bei einer Zeitarbeitsfirma hattest, der auf den Tarifvertrag der CGZP beruhte, hast Du Anspruch auf Lohnnachzahlung. Mehr Hintergründe gibt es in der Jan/Feb 2011-Ausgabe der »Direkte Aktion« sowie online auf www.direkteaktion.org.

Neue Emailadresse

28.03.2011

Nachdem wir schon seit geraumer Zeit eine neue Homepage haben, läuft\ Ende März auch unsere alte Emailadresse aus. Ab April sind wir nur noch über die Adresse info ät labandavaga.org oder das Kontaktformular zu erreichen.

Class war in the USA

25.03.2011

Mitte Februar kündigte der mithilfe der rechten Tea-Party-Bewegung an die Macht gekommene Gouverneur von Wisconsin, Scott Walker, einerseits Steuergeschenke an Reiche und Konzerne und andererseits ein massives Sparprogramm im Sozialbereich an. Dies segneten zuerst auch die Gewerkschaften ab, doch als der Gouverneur auch noch die Gewerkschaftsrechte beschneiden wollte, kam es zu den größten sozialen Protesten in den USA seit vielen Jahren. DemonstrantInnen besetzten das Kapitol in Madison und täglich demonstrierten tausende auf den Straßen. Inzwischen ist es dem Gouverneur mithilfe eines Tricks gelungen das Gesetz durchzudrücken, doch die Proteste gehen inzwischen landesweit, weiter.

»Walk like an Egyptian«

16.03.2011

Warum eigentlich nicht!

[{.image .image-_original width="219" height="60"}]{.inline .inline-right}Im Dezember 2010 kommt es in Algerien zu massiven Protesten gegen horrende Preissteigerungen von Grundnahrungsmitteln. Gleichzeitig eskalieren auch in Tunesien, in der Stadt Sidi Bouzid, Protestaktionen der Bevölkerung, nachdem sich dort der junge arbeitslose Informatiker Mohamed Bouazizi aus Verzweiflung selbst mit Benzin übergossen und angezündet hat. Die Unruhen weiten sich schnell aus und ergreifen bald die gesamte arabische Welt1{#footnoteref1_wrhp15u .see-footnote}. Ob in Ägypten, Libyen, Jordanien, dem Jemen oder sogar den Ölemiraten am Golf: überall die gleichen Bilder von Massendemonstrationen und Straßenschlachten mit der Polizei. Und die Proteste sind sogar, im Gegensatz zu den bisherigen Anti-Krisenprotesten wie etwa gegen die Rentenreform in Frankreich, relativ erfolgreich. Neben späten Eingeständnissen der Machthaber -- die Erhöhung von Löhnen, die Senkung von Lebensmittelpreisen oder die Freilassung von politischen Gefangenen -- gelingt es den Demonstrierenden in Tunesien und Ägypten ihre Potentaten zu vertreiben. Am 14. Januar 2011 verlässt der tunesische Diktator Zine el-Abidine Ben Ali nach 13 Jahren an der Macht fluchtartig das Land. Nur einem Monat später folgt ihm der ägyptische Staatschef Muhammad Husni Mubarak. Und weitere arabische Gewaltherrscher könnten noch folgen. So konnte sich etwa vor einigen Wochen noch niemand vorstellen, dass die Macht des sog. Revolutionsführer Muammmar al-Gaddafi ins Wanken geraten würde. Doch noch hält sich dieser mit brutaler Gewalt an der Macht und stürzt das Land in den Bürgerkrieg. Ausgang ungewiss.

Der arabische Aufstand und die Weltwirtschaftskrise

Woher kommt dieser plötzliche Aufstand, der anscheinend die ganze Welt überrascht hat? Schließlich zeigten uns die Medien bis dato aus der arabischen Welt immer nur aufgepeitschte Menschenmengen, die Israel- oder Amerikafahnen verbrannten und als bedrohliche Masse den Westen in Angst und Schrecken versetzten. Und nun organisieren sich diese Menschen kollektiv, fordern ihre Freiheit und vertreiben Despoten. Kommt das alles quasi aus dem nichts? Wohl kaum. Bereits kurz nach dem Ausbruch der aktuellen Phase der Weltwirtschaftskrise 2007/2008 kam es zu weltweiten Nahrungsmittelunruhen, in deren Verlauf Hunderte von Menschen ums Leben kamen. Ein Zentrum der Unruhen war bereits Nordafrika gewesen. Ausgelöst wurden die Unruhen damals durch den dramatischen Anstieg der Rohstoffpreise, so daß sich die Grundnahrungsmittel massiv verteuerten. Eine Ursache für die höheren Preise war und ist die Tatsache, dass das Kapital aufgrund seiner Verwertungskrise in den »sicheren Hafen« der Rohstoffe investiert. Bisherige Anlagemöglichkeiten, wie etwa Immobilien und Finanzprodukte sind durch die Krise ausgefallen und da das Kapital bei Strafe des eigenen Untergangs gezwungen ist, sich zu verwerten, bieten sich -- wie in jeder Krise -- Rohstoffe an. Doch dies hat für Milliarden Menschen existenzbedrohende Folgen, die sich bereits 2007/2008 in sog. Food-Riots entluden. Bei den damaligen Protesten wurden die Grundlagen für den jetzigen Erfolg der Aufstände, etwa in Ägypten und Tunesien gelegt. Große Streiks in der ägyptischen Textil- und der tunesischen Schwerindustrie und das Entstehen von Solidaritätskomitees bildeten die Basisstrukturen, auf denen die heutigen Revolten aufbauen konnten. In Ägypten war dies etwa die Facebook-Gruppe »6.April«, die von UnterstützerInnen der streikenden TextilarbeiterInnen gegründet wurde und bei der Organisierung der jetzigen Proteste wieder eine bedeutende Rolle spielte.

Was hat der arabische Aufstand mit uns zu tun?

[{.image .image-thumbnail width="185" height="136"}]{.inline .inline-right}Die Menschen in der arabischen Welt haben die ersten Meldungen über Unruhen in Tunesien und Algerien sofort verstanden und konnten sich darin wiederfinden. Ob in Mauretanien oder im Jemen, die Menschen kämpfen für die gleichen Ziele und erkennen darin einen Kampf. Doch eine globale Ausweitung der Aufstände ist bisher unterblieben. Nur im Iran blitzen die Proteste, die die Regierung nach den gefälschten Wahlen 2009 brutal niedergeschlagen hatte, wieder auf und in China kommt es zu virtuellen Protesten gegen die Machthaber. Aber warum bleibt es in Europa so ruhig? Ist die Situation der Jugend hier so anders als in der arabischen Welt? Einerseits natürlich ja, politische Freiheiten werden anderswo brutaler unterdrückt und der Lebensstandard ist deutlich elender als in Europa. Aber andererseits wird auch in Europa die Situation gerade für die junge Generation immer unerträglicher. Massive Angriffe auf Arbeiterinnen und Arbeiter folgten der Krise auf den Fuß. Dabei werden unsere Arbeits- und Lebensverhältnisse schon seit Jahren immer unsicherer. Ob Leiharbeit, befristete Jobs, die »Generation Praktikum« oder Rentenkürzungen. Jede und jeder muss nur noch schauen wie sie oder er über die Runden kommt2{#footnoteref2_0l4cd23 .see-footnote}. Laut der »Hans-Böckler-Stiftung« sind 2007 bereits 40% der jungen Erwachsenen gezwungen, bei ihrem Berufseinstieg in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu arbeiten. Und seitdem wurde es nicht besser! Einzelne Aufstände in den letzten Jahren, etwa in den französischen Vorstädten oder der Dezemberaufstand 2008 in Griechenland zeigten schon, daß auch hier die Wut auf die Verhältnisse groß ist. Doch blieben sie vereinzelt und konnten deshalb nicht erfolgreich sein.

Nehmen wir uns ein Beispiel an den Menschen in Tunesien, in Ägypten, im Iran und erkämpfen wir endlich eine Gesellschaft, in der ein gutes Leben für uns alle möglich ist. In der niemand mehr gezwungen sein wird zu hungern oder sich ausbeuten zu lassen. In der die Freiheit der anderen die Notwendigkeit unserer eigenen Freiheit ist.

La Banda Vaga, März 2011

Solidarität mit den AktivistInnen von Ssangyong!

13.03.2011

Nach der Betriebsbesetzung von Ssangyong Motors 2009 in Südkorea folgt nun eine erhebliche Repressionswelle die insbesondere langjährige AktivistInnen treffen soll. Acht Mitglieder der der revolutionär-sozialistischen Gruppe \"Socialist Workers\' Alliance of Korea\" (SWLK) standen vor Gericht und wurden nach dem Gesetz für nationale Sicherheit angeklagt, welches theoretisch noch immer die Todestrafe für \"pro-nördliche\" Aktivitäten vorsieht und vor der demokratischen Wende Südkoreas als \"Gummiparagrah\" diente, um die politische Opposition zu unterdrücken. Die Staatsanwaltschaft forderte 5-7 Jahre Haft für die Mitglieder der SWLK, wobei vor allem Flugblätter als Beweismaterial dienten, welche während des Streiks an Ssangyong-MitarbeiterInnen verteilt wurden. Mittlerweile wurde ein Urteil gesprochen, dieses sieht Haftstrafen von ein bis anderthalb Jahren zur Bewährung ausgesetzt und Geldstrafen (ca. 500\$) vor. Mehr Infos gibt es hier und hier

Papiere für Alle!

13.03.2011

Seit dem 25. Januar befanden sich 300 Flüchtlinge in Griechenland in einem Hungerstreik, um die Legalisierung ihres Aufenthaltsstatus zu erreichen. In einer Vollversammlung am 23. Januar 2011 forderten sie: \"Wir kamen hierher, vertrieben von Armut, Arbeitslosigkeit, Kriegen, Diktaturen. (...) Der Westen, der unsere Länder ausplündert, mit seinem unvergleichlich höheren Lebensstandard ist für uns die einzige Hoffnung, wie Menschen zu leben. (...) Wir befinden uns in unwürdigen Zuständen und im Dunkel der Illegalität, damit die Arbeitgeber und die staatlichen Institutionen von der brutalen Ausbeutung unserer Arbeit profitieren. Wir leben von unserem Schweiß und mit dem Traum, eines Tages gleiche Rechte mit unseren griechischen Kollegen zu bekommen.\" Am 9. März beendeten sie den Hungerstreik, nachdem es umfangreiche Zugeständnisse seitens der Regierung gab.