2009

Soziale Kämpfe im Iran

07.12.2009

In den vergangenen Wochen und Monaten ist es im Iran zu einer ganzen Reihe von sozialen Kämpfen gekommen. Die Auslöser sind dabei oft ausstehende Löhne, aber auch die Privatisierungspolitik der Regierung Ahmadinedschad. Diese Politik steht in offenem Widerspruch zu seiner angeblichen Rolle als \"Anwalt der Armen\". Sollten die Klassenkämpfe mit der Protestbewegung gegen den Wahlbetrug zusammenkommen, könnte dies für das geschwächte islamistische Regime den Todesstoss bedeuten.\ Deshalb: Solidarität mit den kämpfenden ArbeiterInnen im Iran und nieder mit der Diktatur!

Zum Elend des Studierenden-Protestes

02.12.2009

Wieder einmal streiken und besetzen die Studierenden. Unsere aktuelle Kritik an den aktuellen Protesten findet ihr hier in ungekürzter Fassung, die als Flugblatt verteilte Version findet sich dort auch.\ Wem das nicht ausreicht, der darf gerne in unserer alten, aber denoch aktuellen Broschüre Studiproteste 2005: business as usual? schmökern.

30 Semester Minimum - Für Deutschland keinen Finger krumm!

Das Elend der Studierenden-Proteste - Zur Kritik am Bildungsstreik

01.12.2009

Dies ist die ungekürzte Version unseres Textes zu den aktuellen Studierenden-Protesten. Die gekürzte und als Flugblatt verteilte Version findet ihr als pdf am Ende der Seite.

I. Prolog

Ein Onlineartikel der „Bild"-Zeitung widmet sich der Frage, „ob die Proteste (der Studierenden) berechtigt sind." Anhand eines kurzen und oberflächlichen Frage-Antwortkataloges werden in dem Artikel die zentralen Forderungen der Studierenden erläutert und die Gründe für und gegen die Reformen abgewogen. Der Duktus des Artikels ist bildtypisch der eines deutschen Spießbürgers und passt sich dadurch dem Gebärden seiner Leserschaft an. Die „Bild" ist dafür bekannt, gegen „Sozialschmarotzer", „Chaoten" und sonstige „Asoziale" zu hetzen. Wie gewohnt wägt die „Bild" auch diesmal stellvertretend für ihre Leserschaft ab, ob sie ihr ressentimentgeladenes und enges Weltbild mit den Studienprotesten vereinbaren kann, oder den Studierenden mit der geballten Wut des Spießers gegen „Unruhestifter" antworten soll. Diese Abwägungen untersuchen, ob bei den Protesten „alles seine Ordnung hat", der Protest wird auf seine Konformität hin geprüft. Eine Kernfrage der Überlegung, ob die Proteste der Studierenden legitim seien, ist die Folgende -- mit entsprechender Antwort: „Sind die Studenten von heute so radikal wie die 68er? Nein. Damals gingen die Studenten auf die Straße, weil sie mit den politischen Verhältnissen im Allgemeinen unzufrieden waren -- etwa mit der mangelnden Aufarbeitung des Nazi-Regimes. Die heutigen Proteste richten sich nicht gegen die Gesellschaft insgesamt. Die Forderungen der Studenten beschränken sich auf die Bildungspolitik." Eine solche mediale Reaktion sollte Verdacht erregen. Die „Bild" kann Entwarnung geben: alles geht seinen gewohnten Gang und nichts weicht von seiner vorhergesehenen Funktion ab. Die

Proteste rufen keine Irritationen oder Wut bei denen hervor, die Hass gegen jegliche Abweichung von der Normalität verspüren und auch unumwunden ausdrücken. Vielmehr braucht sich niemand wegen der Proteste aufzuregen. Der konstruktive Charakter ihrer Forderungen drückt die prinzipielle Übereinstimmung mit den Bildungseinrichtungen aus. Die Forderungen der Protestierenden sind bloße Angelegenheit von Bildungspolitik und erklären ihr Einverständnis mit dem tagespolitischen Verhandlungsprocedere. Die Grundlagen auf denen ein konstruktives Miteinander von Studierenden und Land oder Hochschulleitung, das -- bei allem Verbalradikalismus -- letztlich von fast allen Protestierenden gewünscht wird, gelten unhinterfragt; die Studierenden stellen keine Unvereinbarkeit von ihren Interessen mit den bildungspolitischen Reformbemühungen der letzten Jahre fest -- sie versuchen sie größtenteils bloß zu verbessern. In der Angst vor jeglicher Konfrontation legen sich die Studierenden in fast vorauseilendem Gehorsam die Mäßigung und Beschränkung auf Bildungspolitik auf. Sie anerkennen damit die realpolitischen Grenzen und die normative Kraft des Faktischen. Deshalb bleibt eine Zeitung wie die „Bild" auch so entspannt angesichts von Großdemonstrationen und Besetzungen: hinter allem aktionistischen Bedeutungswirbel steckt der prinzipielle Wille zu Übereinstimmung und Konformität. Damit sind die Studienproteste bedeutungslos, ein bloßer Tagesordungspunkt auf der Liste politischen Geschehens.

II. Die Bedeutung der Besetzung: die gesellschaftliche Artikulation des Unmuts

Die Audimax Besetzung zeugt davon, dass wir uns mit den Ergebnissen der Restrukturierung des universitären Bildungswesens nicht abfinden wollen. Wir widersetzen uns einer Rationalisierung der Universität, die an ökonomischen Maßstäben orientiert ist. Stärker denn je sind die Studierenden in einen bürokratischen Kontrollapparat eingebunden, der uns dazu zwingt unsere individuellen Erkenntnisinteressen an Vorgaben, Fristen, Ordnungen anzupassen. Eine selbstbestimmte Auswahl von Themen, die uns interessieren und sich aus unserem Lernprozess für uns sinnvoll ergeben wird verhindert. Dazu passt auch die offensichtliche Warenwerdung von Bildung. Bildung ist nicht das Ergebnis eines gemeinschaftlichen Lernens, sondern deutlich wie noch nie ein marktfähiges Produkt für das nun auch die entsprechende Bezahlung -- 500€ pro Semester -- fällig wird. Es ist richtig, wenn wir uns dieser drastischen Beschneidung eines bisher noch relativ freien Bildungsbetriebs wiedersetzen. Endlich verpufft der Ärger über die Zumutungen nicht mehr im alltäglichen Smalltalk - in dem ohnehin die Härten des Unialltags als individuelle Verfehlungen und Schwächen des und der Einzelnen erschienen: wer nicht gut mit den neuen Verordnungen und Festlegungen zurechtkommt ist eben selbst schuld. Diese brutale Ausrede wird den Sachverwaltern der Bildungsbeschneidung nun vermiest, denn der Unmut artikuliert sich seit der Besetzung politisch. Anstatt die Ursachen für unseren Unmut in uns selbst zu suchen, wird durch die Besetzung auch einer breiteren Öffentlichkeit die Problematik der universitären Strukturreformen vorgestellt. Durch die Ummodellierung des Studiums wird vielen Studierenden durch überfüllte Stundenpläne soviel Stress bereitet, dass sie kaum Zeit finden, sich in einem gesellschaftlich-politischen Raum kritisch mit ebendieser Überfüllung ihrer Zeit mit Veranstaltungen, dem gesteigerten Leistungs- und Konkurrenzdruck und den Studiengebühren zu widmen. Der Alltagszwang ist also mit Entpolitisierung verbunden, weil aus der isolierten Einzelperspektive nur noch die Hürden des eigenen Fortkommens registriert werden -- die Sicht auf eine strukturelle und damit alle betreffende Dimension geht dadurch aber verloren und damit auch der Blick für gesellschaftliche Zusammenhänge. Die Besetzung repolitisiert teilweise und zerstört dadurch den blinden Fatalismus, zu dem jede/r neigt, deren/dessen Horizont sich in den engen Grenzen der eigenen Laufbahn, in der Reproduktion des ohnehin Bestehenden erschöpft. Es wird nun durch die Besetzung gesellschaftlich kommuniziert, dass das Problem nicht wir, sondern die Reformen sind, die uns Stress bereiten, Geld kosten und Bildung radikal in die Welt bloßer Marktvernunft entlassen.

III. Die falsche Beschränkung der Kritik auf den bildungspolitischen Rahmen

Wenn wir zu der Frage nach den Gründen von Uni-Reform und Studiengebühren nicht bloß ein instrumentelles Verhältnis einnehmen wollen, dann müssen wir auch unsere gesellschaftliche Position als Studierende hinterfragen. In den Protesten drückt sich häufig eine Kritik an den Uni-Restrukturierungen aus, die nur noch aus der Einzelperspektive des besseren Fortkommens im Uni-Alltag heraus gestellt ist. Diese Perspektive ist freilich völlig legitim. Wir alle wollen studieren, ohne dabei von beengenden Abgabefristen, Anwesenheitspflichten usw. diszipliniert zu werden. Eine Kritik, die sich auch auf dieser alltagspraktischen Ebene bewegt ist unproblematisch. Problematisch wird diese Kritik allerdings dann, wenn sie neben dieser Alltagsperspektive keine weitere mehr kennt. Wenn neben der nötigen Kritik der konkreten Missstände der Grund für diese Missstände nicht begriffen und hinterfragt wird, dann nimmt sich auch die konkrete Kritik, die etwas Erreichbares anstrebt, ihre Kraft. Die Gründe für die Restrukturierung des universitären Alltags sind nicht aus ihm selbst, sondern nur aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive heraus erklärbar. Wenn die derzeitigen Proteste sich einer solchen Perspektive verweigern, verlaufen sie im Sand. Es sollte zu denken geben, wenn Politik und Hochschule, die die Bildungsreformen erst lanciert haben, in den Protest einzustimmen scheinen. An ihrem Applaus lässt sich Wichtiges ablesen. Es lässt sich ablesen, dass viele Forderungen der Studierenden verhältnismäßig gut mit der Vorstellung von Universität übereinstimmen, wie sie vom politischen Establishment gehegt werden. Das sollte zu denken geben. Keineswegs haben die Befürworter der Bildungsreformen ein vergessenes Bildungsideal wiederentdeckt. Vielmehr überschreiten viele Forderungen der Studierenden den grundlegenden Geist der Reformen nicht und können ihn daher auch nicht wirksam bekämpfen. Das liegt zum einen an Forderungen, die letztlich nur dann Sinn machen, wenn mensch akzeptiert, dass die Bildungsreformen alternativlos sind -- etwa die Forderung nach gerechter Anerkennung von Studienleistungen oder die Forderung bezüglich eines besseren Lehramtsstudienganges. Zum anderen bleiben alle etwas weiterführenden Forderungen hilfloser Idealismus, wenn die Protestierenden nicht erkennen, dass es strukturelle Gründe für die Reformen gibt, die in der kapitalistischen Funktionslogik der herrschenden Ökonomie liegen.

IV. Die Bildungsreformen haben ihren Grund in der kapitalistischen Struktur dieser Gesellschaft

Die Bildungsreformen sind kein Irrweg des politischen Establishments, der sich durch gutes Zureden und beeindruckende und pressewirksame Forderungen seitens der Studierenden korrigieren ließe. Die Reformen verfolgen vielmehr den Weg, den der Kapitalismus aus innerer Notwendigkeit heraus vorgibt. Innerhalb des bestehenden Systems ist dieser Weg -- von leichten Nuancen abgesehen -- alternativlos und die frommen Wünsche nach Besserung der Uni innerhalb des Systems hoffnungslos. Es ist an der Zeit zu begreifen, dass die Reformen der inneren Notwendigkeit des Kapitalismus entsprechen, immer billiger, rationaler, schneller, besser zu arbeiten, zu lernen, zu konkurrieren -- und zwar nicht mit dem Ergebnis weitreichender Bedürfnisbefriedigung, sondern zum Zwecke der Selbsterhaltung im anarchischen Marktkampf aller gegen alle. Eine solche Perspektive, die die Bildungsreformen im Kontext des Kapitalismus begreift und kritisiert scheint aber vielen zu weit zu führen. Es gehe ja schließlich um konkrete Forderungen an das Land und Rektorat, damit endlich etwas erreicht und geändert wird. Allerdings ist die Verwandlung von Bildung in die Warenform kein bloß baden-württembergisches Phänomen, nichteinmal ein rein bundesrepublikanisches. Die Bologna-Reform zielt vielmehr darauf ab, die EU in den weltweit größten wissensgestützten Markt zu verwandeln. Sie ist ein Instrument europäischer Selbstbehauptung in der internationalen Konkurrenz. Der Handel mit Wissenswaren ist schließlich seit dem „allgemeinen Übereinkommen über den Handeln mit Dienstleistungen" (GATS) ein globales Phänomen. Der Welthandel bedeutet globale Konkurrenz gemäß der nichtrationalen Marktlogik. Im globalen Konkurrenzkampf reproduziert sich grade nicht ein ständig und allgemein steigendes Wohlstandsniveau, sondern Unternehmen, Branchen und ganze Länder werden dauerhaft von der Produktion und Konsumtion ausgeschlossen, wenn sie in der globalen Konkurrenz nicht mehr mithalten können. Bedürfnisse werden dauerhaft von ihrer Befriedigung abgeschnitten -- und das, obwohl die technischen Produktionsmöglichkeiten reif sind wie noch nie (was nicht zuletzt daran merklich wird, dass beispielsweise in Deutschland unzählige Menschen ohne Arbeit sind, dennoch versorgt werden können, ja zusätzlich Branchen mit Absatzproblemen und Überproduktion zu kämpfen haben, durch Pleiten Produktionspotentiale brach liegen und die Kapazitäten im verarbeitenden Gewerbe nur zu 80% ausgelastet sind). Die Erfordernisse des Marktes verlangen nun von den Menschen absolute Anpassung und vorauseilenden Gehorsam um im Hauen und Stechen der Konkurrenz möglichst weit vorne zu stehen. Die industrielle Wertschöpfung ist angesichts des enormen Niveaus von Technisierung und Maschineneinsatzes heute kaum mehr lohnenswert; zumindest nach Maßstäben des kapitalistischen Profitmotivs -- im Jargon der Volkswirtschaftslehre: der „Grenzgewinn" ist zu gering. Außerdem ist Deutschland in vielen Bereichen nicht mehr -- wie es der mediale Kauderwelsch ausdrückt -- „konkurrenzfähig": im Ausland wird eben vieles billiger produziert. Daher konzentriert sich beispielsweise grade Deutschland (und neben Deutschland alle strukturähnlichen Inseln des Wohlstandes) auf das Wissen -- eine Ware mit der noch ordentliche Gewinne eingefahren werden können. Damit die Wissensträger -- nämlich die Studierenden mit Abschluss -- nicht Deutschlands Wettbewerbsvorteil im Dauerstudium vertrödeln, sollen ihnen die Studiengebühren Beine machen. Die harte Strukturierung des Lehr- und Lernbetriebs soll die „Produktion" der Ware Wissen zudem marktrationaler gestalten. Alle (Lern-)Bedürfnisse, die nicht den Anforderungen des Marktes entsprechen, werden systematisch ausgegrenzt -- daher die Marginalisierung der geisteswissenschaftlichen Fächer. Es wird Selbstverstümmelung betrieben, um nicht vollständig verstümmelt zu werden.

V. Die einzige Chance der Studienproteste liegt in einer gesellschaftskritischen Perspektive

Angesichts dieser Bedeutung, die die Produktion von Wissen im kapitalistischen Globalsystem hat ist es also keineswegs naiv diese Bedeutung in den Studienprotesten hervorzuheben und ein Bruch mit dem System zu fordern, dass dazu zwingt Wissen -- und alles andere auch -- zum bloßen Mittel in der Konkurrenz werden zu lassen. Vielmehr ist es naiv zu meinen, durch kleine Schritte -- also durch bescheidenere Forderungen -- etwas erreichen zu können. Sie berühren die Säulen der bestehenden Ordnung nicht einmal im Ansatz -- und sollten sie es doch tun, haben sie gegen den Konkurrenzdruck der kapitalistischen Wirtschaft keine Chance. Im Kapitalismus gibt es nämlich nur die Alternative zwischen devoter Anpassung an die Anforderungen des Marktes oder dem Untergang. Wenn also die polit-ökonomischen Gründe für Rationalisierung und Ökonomisierung der Bildung nicht betont werden, ist jede Chance auf Änderung der herrschenden Tendenzen im Bildungswesen, in deren Kritik sich viele Studierende einig sind, vertan. Bleibt es aus, zu erkennen, dass innerhalb des bestehenden Wirtschaftssystems Bildung niemals etwas anderes sein kann als Mittel zur Konkurrenz, dann wird mit den Forderungen der Studierenden folgendes passieren: Forderungen die mit dem herrschenden System nicht kompatibel sind -- etwa die Forderung nach selbstbestimmten und konkurrenzfreien Lernen -- bleiben bestenfalls als „gutes Gewissen" der Studierenden im Hinterkopf, aber werden niemals Wirklichkeit. Und die Forderungen, die ganz gut zum Charakter dieses Wirtschaftssystems passen werden von den Agenten dieser Ordnung dankbar als Ausdruck „konstruktiver" Betätigung der Studierenden integriert und der Protest erstickt -- in etwa so wie es der Prorektor vergangene Woche im Audimax vorgemacht hat. Dass er jeglichem Widerstand der Studierenden mit wenigen Worten die Zähne nehmen konnte ist nicht nur Verdienst seines polit-phraseologischen Geschicks, sondern auch eines Studierendenprotestes, der völlig bewusstlos idealistische Forderungen stellt und Blind für die Zwänge des kapitalistischen Normalbetriebes dieser Gesellschaft ist. Eine Änderung der Universität, die Chance auf Verwirklichung hätte, müsste die Einbettung von Uni und Bildung in die Gesamtheit der kapitalistischen Wirtschaftsordnung begreifen. Das bedeutet, dass wir uns nicht nur aus unserer Rolle als Studierende heraus mit den Bildungsreformen kritisch beschäftigen sollten, sondern grade diese studentische Beengung des Blickes aufsprengen müssen. Denn erst dann lässt sich der Blick -- neben Unialltag und mit diesem zusammenhängende Forderungen -- auf eine gesamtgesellschaftliche Dimension richten, durch die die Bildungsreformen erst verständlich werden. Das würde auch bedeuten, dass nicht mehr hilflos das Humboldtsche Bildungsideal gegen die Realverfasstheit der Bildung beschworen wird. Vielmehr müsste begriffen werden, dass das Humboldtsche Bildungsideal heute eine Ideologie ist, die darüber hinwegtäuscht, dass ein emphatischer Bildungsbegriff nicht mit der bestehenden Gesellschaft vereinbar ist.

VI. Konkrete Forderungen flankieren den Protest nicht, sondern sind ein Instrument seiner Normierung

Die Beschränkung des Protestes auf Forderungen, die bloß auf den Uni- oder Bildungsbereich bezogen sind, affirmiert die gesellschaftliche Konstruktion eines solchen angeblich isolierten Bereichs. Der Blick auf gesellschaftliche Zusammenhänge wird politisch-praktisch ohnehin schon unterlaufen. Durch die Aufspaltung des gesellschaftlichen Gesamtzusammenhanges in verschiedene „Politikfelder" mit eigenen „Problembereichen" wird die Illusion erzeugt, die Gesellschaft lasse sich in Spezialgebiete mit eigener Dynamik und Logik aufteilen. Diese Bereiche seien unabhängig von einer Grundtendenz -- nämlich der des ökonomischen globalen Wettbewerbs und seinen verschiedenen Erscheinungsformen. Die reale Interdependenz dieser Segmente und ihr unbedingter Zusammenhang werden verneint, wenn sich die Protestierenden in ihrem Protest auf „bildungspolitische" Forderungen und Fragen beschränken und dadurch die gesellschaftliche Parzellierung affirmativ nachzeichnen, anstatt eben solche Grenzziehungen zu hinterfragen. Durch eine solche Selbstbeschränkung sind die Studierenden in ihrem Protest hilflos auf das im Sonderbereich Bildung Machbare eingeschränkt. Dadurch werden aber die basalen Strukturen des Bildungsbereich, der Status von Bildung in dieser Gesellschaft überhaupt und die gesellschaftliche Rolle der Studentin/des Studenten einer kritischen Grundlagenreflexion entzogen. Die bloße Entscheidung zur Formulierung spezieller und realpolitischer Forderungen trägt also auch implizit eine Entscheidung über die inhaltliche Grundausrichtung des Protestes in sich. In den konkreten Forderungen steckt weiterhin eine Bejahung der verwalteten Kommunikationsmechanismen, die subversives Potential auf das Machbare und Realpolitische festlegen. Ein wichtiges Argument für die Formulierung konkreter Forderungen war nicht zuletzt die Erwartung der Medien, des Rektorats und des Landes. Wenn sich Protest aber unter dem Vorzeichnen gesellschaftlicher Erwartungen entwickelt, dann verliert er ein wesentliches Moment des Aufbegehrens. Er ist nämlich durch die Erwartungen präformiert und schneidet sich, um breit akzeptiert zu werden, auf die Bedingungen seiner Akzeptanz zu. Der Protest reproduziert dann das Erlaubte -- mit der Illusion eigener Wirkmächtigkeit. Die Absurdität der Forderungen besteht auch darin, dass sie einen unmittelbaren Einfluss auf die Politik suggerieren. Viel eher ist es aber plausibel, dass allgemein und grundlegende gehaltende Forderungen oder Gedanken zum wirklichen Gegenstand politischer aber auch gesellschaftlicher Debatten werden. Sie wären mit den Regeln politischer Artikulation nicht direkt vereinbar und widersetzten sich daher aus sich heraus den standardisierten und standardisierenden Regeln politischen Protests, sie böten eine tatsächliche Möglichkeit der Resistenz. Wie es derzeit aber ist, erscheinen die Forderungen eher wie an die gängigen Erwartungen und Regeln angepasste Bitten, die im besten Falle bloß eine erneute Verwaltungsreform von oben zur Folge haben, die aus der kapitalistischen Logik dieser Gesellschaft heraus keineswegs die Konkurrenz- und Anpassungsmechanismen unterlaufen wird. Selbstbestimmung und freie Bildung für alle sind auf einer solchen Ebene aber eine Sache der Unmöglichkeit.

VII. Zum Begriff der Bildung: von Bildung zu reden ist gegen die Bildung. Eine radikale und revolutionäre Perspektive

Kritik ihrem Namen gerecht wird und nicht in ein vorauseilendes Einverständnis mit den politischen Eliten verläuft, müsste die Einbettung des universitären Raumes in den kapitalistischen Zusammenhang dieser Gesellschaft reflektieren. Zudem sollte auch der Begriff der Bildung überdacht werden. Schon die Vorstellung universitärer Bildung ist gegen Bildung. Bildung, die in einem exklusiven Raum zum Besitztum weniger wird -- nämlich derer, die als GymnasiastInnen Zugang zu diesem universitären Raum haben -- schneidet sich von der Gestaltung der realen Lebensbedingungen ab. In einer Gesellschaft, in der jeder Mensch durch Verkauf seiner Arbeitskraft überleben muss, wird Bildung notwendigerweise zum Eigentum, zur Ware. Als Mittel zum beruflichen Zweck wird Bildung immer zum Eigentum -- egal wie sich die/der BildungsträgerInn diesen Zweck schönzureden vermag. Wirkliche Bildung, die Aufklärung ist, vermieft nicht in der geschlossenen Diskursgemeinschaft der Universität, sondern wird unmittelbar öffentlich und dialogisch: sie lebt von der Beteiligung aller und erstickt, wenn sie von wenigen ausgeübt wird. Sie hebt also Bildung als isolierten Sonderbereich auf und verwirklicht sie gesellschaftlich. Die Beschwörung von Bildung und ihren Idealen zeigt, dass das gesellschaftliche Leben -- von dem sich die Bildung als exklusive abschneidet -- von realer Unfreiheit, Ungleichheit und Unaufgeklärtheit geprägt ist. Da wo die Bildung und Selbstaufklärung des Einzelnen als Ziel vor Augen steht, geht es nicht mehr um die Bildung und Selbstaufklärung der Gesellschaft -- also aller. Bildung als Bereich abseits von gesellschaftlicher Praxis, ist Resultat einer elenden Gesellschaft, in der Freiheit und Gleichheit nur noch als Ideale der Bildung und nicht mehr als Ziele der Gesellschaft existieren können und somit der Praxis entzogen werden. Es gilt, diesen Bildungsbegriff zu zerstören, indem er gesellschaftlich verwirklicht wird und nicht mehr seine fade Existenz als Eigentum weniger Gebildeter führt. Es gilt insbesondere einen studentischen Elitarismus zu kritisieren; wenn sich einzelne Studierende noch etwas darauf einbilden, zu der gebildeten Elite zu gehören und womöglich auf die herabschauen, die nicht dazugehören, dann ist damit der progressive Gehalt der Bildung endgültig verloren. Sie ist in der Ideologie der Eliten ein Vorrecht der Intelligenz gegenüber der arbeitenden Klasse und nicht mehr potentiell eine Idee der Befreiung aller Menschen. Wirkliche Bildung hieße nämlich nicht, dass Bildung unbekümmert um das von ihr Getrennte sich selbst atmet, sondern bedeutete vielmehr die vernünftige Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens, der Lebensumstände aller. Sie richtet sich nämlich aufklärerisch gegen die Vormacht unbekannter Mächte und hat das Ziel, die Menschen von Herrschaft zu befreien. In Zeiten der Herrschaft des ökonomischen Profitmotivs, demgemäß alle Bereiche -- auch die Uni --, strukturiert werden, und die Bedürfnisse der Menschen dieser Profitlogik angepasst werden, bedeutet Aufklärung Kritik dieser Gesellschaft. Sie bedeutet Erkenntnis des Ganzen, und damit Kritik eines uneinsehbaren irrationalen Motivs, das als „invisible hand" ohne bewusste Beteiligung der gesellschaftlichen Akteure diese, gleichsam hinter ihrem Rücken, vor vollendete Tatsachen und unter anonyme Marktzwänge setzt. Bildung ist als Aufklärung Selbstzweck. Heute bedeutet Aufklärung aber nicht ein auswendiges Lernen von Fakten, das Pauken von Theorie. Gegen die Vorherrschaft der Marktmacht ist theoretisches Wissen machtlos und wird als Mittel -- nicht mehr Zweck -- in die Marktmechanismen integriert. Aufklärung bedeutet Kritik dieser Verhältnisse -- nicht nur theoretische, sondern auch praktische Kritik: „Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muß gestürzt werden durch materielle Gewalt, allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift." (Marx) Wird Bildung nicht mehr als Aufklärung der Gesellschaft verstanden, sondern demgegenüber expliziet die Selbstbeschränkung der Proteste auf Unipolitik gefordert, dann ist Bildung zurechtgestutzt auf die Perspektive der/s vereinzelten Studierende/n und ihrem/seinem Fortkommen im Wettbewerb. Sie harmoniert dann -- trotz der relativ harmlosen Einsprüche der Protestierenden -- mit den Zielen der Bologna Reform, die auch in diversen EU-Verträgen festgelegt sind: die Deregulierung sämtlicher Lebensbereiche -- eben auch aller Bildungseinrichtungen, in denen alle Studierende zu Marktsubjekten werden, die als Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands Position innerhalb der internationalen Staatenkonkurrenz verbessern sollen. Bildung ist dann ein partikularer Besitz von Wenigen, mit dem diese Wenigen sich elitär besser fühlen können als der „ungebildete Rest" und mit dem diese „gebildeten" Wenigen ihren Marktwert verbessern. Dieses Schicksal der Bildung im Kapitalismus ist prinzipieller Natur, von der Bologna & Co bloß Radikalisierungen sind. Bestehen die Protestierenden auf die Beschränkung des Protests auf die Universität verewigen sie den Zustand der Bildung, Mittel von Konkurrenzsubjekten auf dem Marktkampfplatz zu sein. Die Aufhebung dieses Zustandes bedeutet die Aufhebung von Bildung durch ihre Verwirklichung, sie bedeutet radikale Gesellschaftskritik -- theoretisch wie praktisch.

La Banda Vaga, Dezember 2009

Streik und Aussperrung bei der LNK

30.10.2009

Dass die sozialen Auseinandersetzungen auch in diesem Land immer härter werden, haben verschiedene lange und harte Streiks der letzten Jahre gezeigt (Gate-Gourmet, LokführerInnen etc.). Auch wenn es sich dabei fast immer nur um „normale" Tarifauseinandersetzungen unter gewerkschaftlicher Kontrolle gehandelt hat, also nie die kapitalistische Normalität in Frage gestellt worden ist, so haben doch die KapitalistInnen darauf mit ungewöhnlicher Härte reagiert. So auch im Fall der „Lippischen Nervenklinik Dr. Spernau", wo seit dem 30. April 2009 gestreikt wird. Am 30. Juli sperrte die Geschäftsleitung die Streikenden aus und ersetzte ihre Stellen mit LeiharbeiterInnen. Doch die Streikenden haben nicht aufgegeben und protestieren weiter vor der Klinik. Weitere Infos dazu finden sich hier

Diskussionsnachmittag zur Krise

28.10.2009

Sonntag, 8.11.2009 um 15 Uhr, KTS, Baslerstr. 103, Freiburg.

Die derzeitige Krise ist die schlimmste des kapitalistischen Weltsystems seit über 70 Jahren. Soweit sind sich noch fast alle einig. Doch was sind die systematischen Ursachen der Krise? Kann die Krise durch eine links-keynesianische Wirtschaftspolitik, wie es beispielsweise die reformistische Linke fordert, wirklich überwunden werden? Ergibt sich aus der Krise eine Chance für radikale emanzipatorische Ideen jenseits von Staat und Kapital oder doch nur die Gefahr eines wieder erstarkenden Faschismus?

Über diese und ähnliche Fragen soll an diesem Nachmittag nach einem kurzen Inputreferat gemeinsam diskutiert werden. Als Grundlage der Diskussion soll der Text »Thesen zur Krise« aus der neu erschienenen zweiten Ausgabe des Kosmoprolet dienen. Die Thesen sollten deshalb von allen Teilnehmenden vorher gelesen werden. Die Zeitschrift Kosmosprolet ist für 4€ in der Jos Fritz Buchhandlung, dem Infoladen in der KTS oder auf www.syndikat-a.de erhältlich. Auf Anfrage verschicken wir auch eine pdf-Version der Thesen.

Stadtrundgang im Rahmen der Kampagne \"Leiharbeit abschaffen\"

29.09.2009

Am 24.09.2009 organisierte das Aktionsbündnis \"Leiharbeit abschaffen\", dem sich neben der Gruppe \"Zuviel Arbeit\" und Einzelpersonen auch die FAU Freiburg und La Banda Vaga angeschlossen haben, im Rahmen der Kampagnenwoche für die Abschaffung von Zeitarbeit einen Stadtrundgang. Einen kurzen Bericht gibt es auf der Kampagnenseite, unseren Redebeitrag zur Leiharbeitsfirma Manpower haben wir hier dokumentiert.

Redebeitrag zu »Manpower«

29.09.2009

Diesen kurzen Redebeitrag hielten wir am 24.09.2009 im Rahmen der bundesweiten Kampagne \"Leiharbeit abschaffen\" vor der Freiburger Filiale der Leiharbeitsfirma Manpower.

Das US-Unternehmen Manpower erzielte 2005 einen Jahresumsatz von fast 16 Milliarden. Mit rund 4400 Niederlassungen in 72 Ländern verleiht Manpower jährlich über 4,4 Millionen Lohnabhängige und ist damit einer der drei größten Personaldienstleister weltweit. In Deutschland ist Manpower bereits seit 1965 aktiv und derzeit an über 250 Standorten vertreten. Die Homepage des Unternehmens verdeutlicht, wie sich Manpower ein funktionierendes Wirtschaftssystem vorstellt und welche Rolle dabei sein Verleihpersonal zu spielen hat. Im typischen Unternehmerjargon wird von Manpower die Unterwerfung unter die Marktmacht als lebenslange Aufgabe und zum Lebenssinn der Lohnabhängigen stilisiert. Als „Schrittmacher des Marktes" -- wie es auf der Homepage heißt -- ist Manpower bemüht, die zu vermittelnden Menschen ins passende Marktformat zu pressen. Diese so genannte Flexibilisierung des Arbeits- und Lebensalltags degradiert die Lohnabhängigen mehr denn je zum Kalkulationsobjekt der Kapitalanhäufung. Erkämpfte soziale Sicherungen bleiben so auf der Strecke, weil sie nicht mit dem Kapitalinteresse kompatibel sind. Wer nicht mehr gebraucht wird, wie etwa in Krisenzeiten, soll ohne komplizierte und kostspielige Zwischenschritte, wie etwa dem Kündigungsschutz, schnell von der Lohnliste eines Unternehmens verschwinden. Das Arbeiten auf Abruf unter ständigem Orts- und Zeitwechsel verhindert zudem auch, dass sich die so Ausgebeuteten zusammentun und stärkt die Verhandlungsmacht des leihenden Unternehmens. Viele Floskeln werden von Manpower bemüht, um Sicherheit der Leiharbeiter zu suggerieren. Vielmehr zeigen diese Floskeln aber eines: wer sich nicht selber immer wieder zum Marktanhängsel erniedrigt, für den oder die ist überhaupt nichts mehr sicher. Selbstverantwortlichkeit bedeutet für Manpower, dass im Endeffekt alle selbst schuld sind, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Das Unternehmen bietet laut eigenen Worten „einen sicheren Arbeitsplatz mit exzellenten Weiterbildungs- und Aufstiegschancen". So sollen sich die Lohnabhängigen in einem firmeneigenen „Training and Development Center" "weiterentwickeln, Neues lernen und Defizite beseitigen", wie es die Worte der Homepage beschreiben. Der Mensch wird so zur bloßen Überkreuzung von den Fähigkeiten, die der Markt grade von ihm will, um, wie es die Manpower-Homepage formuliert, mit "den Anforderungen des Marktes jederzeit Schritt (zu) halten." Die marktkonforme Unterordnung wird zum Sinnangebot aufbereitet. Nur die Lohnabhängigen, die die Marktimperative als Lebensphilosophie verinnerlichen, sind ideale, weil widerstandslose Angestellte. In diesem Sinne sollen sich die Lohnabhängigen immer wieder selbst qualifizieren, weiterbilden; sich also einer Disziplinierungsprozedur unterwerfen, um dem Unternehmen und dem Markt dienen zu können. Eine solche brutale Anpassung und Zurichtung wird von Manpower dann als Rezept für Sicherheit gepriesen. Das LeiharbeiterInnen nicht nur unsicherer, sondern auch fast immer für weniger Geld arbeiten als ihre festangestellten KollegInnen ist bewiesen und letztlich so gewollt. Einmal mehr lügt sich Manpower die Welt zurecht und behauptet dreist, dass in der Zeit der Überlassung an einen Kunden den Lohanhängigen die gleichen „wesentlichen Leistungen und Arbeitsbedingungen" gewährt werden, die einem vergleichbaren Arbeitnehmer im Betrieb zugestanden werden. Mit einem so genannten „Equal Treatment Modell" wird vorgetäuscht, dass auf der Lohnebene „im Wesentlichen" die Lohnabhängigen nicht schlechter als Festangestellte behandelt würden. Außerdem besagt dieses Modell auch, dass sich die Entlohnung in Zeiten, in denen der Mitarbeiter nicht für einen Kunden von Manpower arbeitet auf „marktgerechtem Niveau" erfolgt -- auch eine recht wacklige Formulierung, die aber bei der Marktverehrung der Firma nichts Gutes vermuten lässt. Das Unternehmen arbeitet nicht nur als prekarisierender Vermittlungsbetrieb, sondern leistet zusätzlich die ideologischen Verneblung und Verherrlichung einer unerbittlichen marktadäquaten Selbstformierung des Einzelnen als zeitgemäßen Geschäftsgeist. Auf der Homepage der Firma lässt sich dazu noch Folgendes lesen: „In Deutschland kontrollieren wir bereits 40 Jahre den Puls des Arbeitsmarktes. Seine Frequenz begreifen wir nicht nur aus der Perspektive von Unternehmen und Mitarbeiter. In enger Zusammenarbeit mit führenden Entscheidungsträgern aus Wirtschaft, Industrie, Handwerk, Politik und Bildung analysieren wir ihn und entwickeln überall dort lösungsorientierte Modelle, wo zeitgemäße, originäre Dienstleistungen den Arbeitsmarkt stärken und dynamisch voranbringen." Die möglichst bruchlose Übersetzung der Marktforderungen in Bedürfnisse der Lohnabhängigen ist so praktisches und ideologisches Ziel des Unternehmens. Das Unternehmen ist also eine wesentliche Institution des neoliberalen Kapitalismus, dem der Markt alles und das menschliche Bedürfnis nichts ist.

La Banda Vaga, September 2009

Kosmoprolet \#2 erschienen

03.09.2009

Die zweite Ausgabe der Zeitschrift KOSMOPROLET ist erschienen. Sie enthält folgende Beiträge:

[{.image .image-thumbnail width="142" height="200"}]{.inline .inline-right}

Fragmente über die Tage, die Teheran erschüttern

Thesen zur Krise

Eine Krise des Werts (Ungekürzte Fassung)

Das Ende der Lähmung. Zum Aufstand in Griechenland. Mit einigen Dokumenten aus der griechischen Bewegung

Barrikaden. Der Aufstand in Oaxaca

Ein Schritt in die falsche Richtung. Zum Leninismus

Reaktionen auf die 28 Thesen zur Klassengesellschaft

Neues aus dem Reich des Caudillos

Ein Club für sich

200 Seiten Din A5, 4 €

Die Zeitschrift wird von den Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft (Berlin), Eiszeit (Zürich), Gruppe K-21 (Frankfurt/M.) sowie La Banda Vaga (Freiburg) herausgegeben.

In Freiburg ist die Kosmoprolet #2 in der jos fritz buchhandlung in der Wilhelmstr. 15 und dem Infoladen in der KTS erhältlich.

Zu Bestellen sind Einzelhefte vorerst ausschließlich über www.syndikat-a.de. WiederverkäuferInnen schicken ihre Bestellungen an freu.de.kla [AT] gmx.de

Die erste Ausgabe der Kosmoprolet gibt es auf kosmoprolet.org zum freien Download.

Neue Homepage

28.08.2009

Wir ihr bemerkt habt, haben wir eine neue Homepage. Noch fehlen ein paar der alten Inhalte, habt etwas Geduld mit uns.

Aufstand im Iran

01.08.2009

Der Aufstand im Iran nimmt auch zwei Monate nach der offen manipulierten Präsidentenwahl kein Ende. Trotz unzähligen Toten, Verletzten und \"Verschwundenen\" lässt sich die iranische Bevölkerung nicht mehr einschüchtern und kämpft weiter für ein Ende der islamischen Republik. Aktuelle Infos finden sich auf dem Blog der Arbeiterkommunistischen Partei des Irans. Am Mittwoch dem 12. August findet ein bundesweiter Aktionstag diverser Antifagruppen gegen die Unterstützung des iranischen Regimes durch deutsche Firmen statt. Den Aufruf dazu findet Ihr auf antifateheran.blogsport.de.

Vestas, Isle of Wight

31.07.2009

Dort hielten die ArbeiterInnen von Vestas seit dem 20.07.2009 ihre Fabrik besetzt. Ihnen droht die Entlassung und sie fordern den Erhalt ihrer Stellen oder die Verstaatlichung des Betriebs. Die Besetzung kam ohne gewerkschaftliche Vertretung zustande und kooperiert mit der Ökologiebewegung, da Vestas Turbinen für Windräder herstellt. Mehr Infos findet Ihr auf dem blog der Streikenden\' bzw. den deutschen Übersetzungen.

Ssangyong, Pyeongtaek/Südkorea

31.07.2009

Nach 77 Tagen Besetzung der Ssangyong-Autofabrik in Pyeongtaek/Südkorea ist es am 5. August 2009 tausenden Spezialkräften der Polizei gelungen die Fabrik gewaltsam zurück zu erobern. Mindestens 100 ArbeiterInnen wurden dabei verletzt. Daraufhin entschlossen sich die letzten BesetzerInnen die Fabrik zu verlassen. Neueste Infos dazu findet Ihr im (englischsprachigen) Themenschwerpunkt auf libcom.org.

Neuer GnuPG-Schlüssel

09.07.2009

Wir haben einen neuen GnuPG-Schlüssel.

Vortrag: Von der Krise zum Zusammenbruch des Kapitals?

06.07.2009

Die weltweite Krise der Kapitalakkumulation nimmt kein Ende. Und auch dem letzten Apologeten des herrschenden ökonomischen Wahnsinns sollte inzwischen klar geworden sein, dass es sich dabei nicht um einen alle paar Jahre wiederkehrenden üblichen Konjunktureinbruch handelt, sondern dass sich das Kapitalverhältnis in einer seiner schlimmsten Verwertungskrisen seit seiner Existenz befindet. Wir haben die Ursachen dieser Krise in einem Vortrag analysiert und kommen zu dem Ergebnis, dass es höchste Zeit ist, diese widersinnigen Verhältnisse umzuwerfen und endlich unsere Geschicke in die eigene Hand zu nehmen.

Alle Macht den Räten!!

Für die soziale Revolution!

Von der Krise zum Zusammenbruch des Kapitals?

06.07.2009

Diskussionsbeitrag zur Podiumsdiskussion über die globale Krise

Vorbemerkung:\ Bei dem folgenden Text handelt es sich um eine erweiterte und überarbeitete Fassung eines Vortrags, den wir bei der Podiumsdiskussion „Von der Krise zum Zusammenbruch des Kapitals?" am 13. Mai 2009 im Rahmen des „jour fixe" der „Initiative Sozialistisches Forum" (ISF) in Freiburg gehalten haben. Neben unserer Gruppe nahmen noch Joachim Bruhn (ISF, Freiburg), Lothar Galow-Bergemann (Gruppe „Emanzipation und Frieden", Stuttgart) und als Moderator Christian Stock (Informationszentrum 3. Welt, Freiburg) daran teil.

Von der Krise zum Zusammenbruch des Kapitals?

In der Diskussion tauchen immer wieder folgende Erklärungsmuster als scheinbare Begründungen für die Krise auf:

• Die Krise sei eine Finanzkrise\ • Die Gier vorwiegend amerikanischer Banker und Spekulanten sei die Ursache der Krise\ • (sehr beliebt in linken Kreisen ist) Der Neoliberalismus sei die Ursache der Krise und nun augenscheinlich gescheitert\ • Die Krise sei letztes Jahr mit dem Platzen der US-Immobilienblase ausgelöst worden\ • Die Krise könne durch mehr staatliche Regulation überwunden werden

Im Folgenden soll kurz gezeigt werden, dass all diese Annahmen falsch sind.

Der Beginn der heutigen Krise liegt bereits in den siebziger Jahren, als der Nachkriegszyklus, der bestimmt war durch die drei Ismen: Fordismus, Keynesianismus und Taylorismus, endete. Dieser Boom der fünfziger bis siebziger Jahre, der auch das Ergebnis der auf die Krise der dreißiger Jahre folgenden Krisenlösung Weltkrieg war, basierte in erster Linie auf der Befriedigung des Massenkonsums der Bevölkerung in den Metropolen. Wirtschaftszweige wie die Haushaltsgeräteindustrie, die Unterhaltungselektronik (v. a. Fernseher) oder der Massentourismus, man denke nur an die ersten Italienurlaube der Deutschen führen dazu dass immer größere Bereiche der Gesellschaft für die Kapitalverwertung erschlossen werden. Im Zentrum dieses Massenkonsums steht als Symbol dieser Epoche die Massenmotorisierung. Das eigene Auto wird vom bizarren Hobby einiger Supereicher endgültig zum Konsumgut für Jedermann. Diese massenhafte Ausweitung der Produktion für den allgemeinen Konsum führt, trotz des wissenschaftlich-technischen Fortschritts zu Vollbeschäftigung bzw. sogar zu einem Arbeitskräftemangel der durch sog. Gastarbeiter ausgeglichen werden muss. Dieses „goldene Zeitalter", wie es der marxistische Historiker Eric Hobsbawn bezeichnet hat, endet Anfang/Mitte der siebziger Jahre in einer großen Weltwirtschaftskrise, die schon die Grundlagen für die heutigen Entwicklungen gelegt hat. Die Gründe für diese oft mit dem Lieferboykott der OPEC-Staaten in Verbindung gebrachten Krise der siebziger Jahre (Stichwort: Ölschock), sind einerseits die abgeschlossene Erschließung der inneren Märkte, inzwischen besitzt (fast) jeder in den Metropolen einen Fernseher, ein Auto, eine Waschmaschine usw., andererseits die rasante Produktivitätssteigerung. War es zwischen 1950 und 1970 noch möglich diese Produktivitätssteigerungen durch die Neuerschließung des Massenkonsums zu kompensieren und für Vollbeschäftigung zu sorgen, kehrt Mitte der Siebziger das Phänomen der Massenarbeitslosigkeit auch ins Zentrum des kapitalistischen Weltsystems zurück. Und ist seitdem nicht mehr verschwunden! Hinzukommen seit Mitte der sechziger Jahre noch massive Kämpfe der Proletarisierten die sich einen zunehmenden Anteil am erwirtschafteten Mehrwert erstreiten. (Stichwort. 68er Revolte) Die Reaktionen auf diese Krise erstrecken sich auf verschiedene Bereiche der Gesellschaft und dauern bis heute an:

• Erstens kommt es zu massiven Angriffen auf den Lebensstandart der Proletarisierten; sinkende Löhne, Deregulierung der Arbeitsverhältnisse, Abwälzung aller Risiken auf den Rücken der Lohnabhängigen usw. Am anschaulichsten ist diese Entwicklung in Großbritannien zu beobachten, wo die „Eiserne Lady" Margrete Thatcher die Macht der Gewerkschaften bricht und die „englische Krankheit", die ständigen Streiks, weitgehend beendet. Auch in den USA, begonnen unter der Präsidentschaft Ronald Reagans, verschlechtern sich die Lebens- und Arbeitsbedingung der Massen. Als Ergebnis dieser Entwicklung verdienen heute die Lohnabhängigen dort faktisch weniger als 1973. Mit dieser Strategie gelingt es zumindest zeitweise die sinkende Profitrate durch eine Erhöhung der Mehrwertsrate zu sanieren und damit die Krisenfolgen auf den Rücken der Lohnabhängigen abzuwälzen.

• Zweitens werden fast alle Bereiche der unmittelbaren Verwertung des Marktes unterworfen. Bisher staatlich regulierte Sektoren der Ökonomie, die unter anderem der Aufrechterhaltung des (momentan vieldiskutierten) sozialen Friedens dienten werden privatisiert. Der Neoliberalismus ist also selber schon als Krisenlösungsstrategie zu verstehen und nicht als Grund der Krise, wie uns dies die staatsgläubige Linke weismachen will.

• Drittens weitet das nach Verwertung suchende Kapital, dass sich in der Produktion nicht mehr optimal verwerten kann, den Finanzsektor massiv aus, es kommt zur sog. Finanzialisierung der Kapitals.

Warum sich das Kapital in der Produktion nicht mehr optimal verwerten kann, wurde bereits oben angedeutet: Einerseits sind die inneren Märkte erschöpft und andererseits führt die Nutzung neuer Technologien (vor allem Computertechnologie) und die damit verbundenen immensen Produktivitätssteigerungen dazu, dass immer mehr Waren in immer kürzerer Zeit durch immer weniger Arbeitskräfte hergestellt werden können. Als Beispiel sei hier ein Zitat aus der „Zeit" vom 16.10.2008 angeführt, dass diese Entwicklung anhand der Leitindustrie Fahrzeugbau veranschaulicht: „Die Crux an der Situation: Selbst wenn die deutschen Hersteller die Verkäufe ihrer Fahrzeuge konstant halten können, wächst mit jedem neuen Modell der Druck auf die Arbeitsplätze. Die Produktivität beim Wechsel von Golf V auf Golf VI sei in Wolfsburg um mehr als 10 Prozent und in Zwickau sogar um mehr als 15 Prozent gestiegen, verriet ein stolzer VW-Chef Winterkorn bei der Präsentation der Neuauflage des wichtigsten Konzernfahrzeugs. Das bedeutet, dass für die Montage der gleichen Zahl von Autos 15 Prozent weniger Leute nötig sind. Wenn also vom Golf VI nicht entsprechend mehr abgesetzt wird, sind Jobs in Gefahr. Genauso läuft es bei den neuen Modellen von BMW, Mercedes oder Opel. Teilweise werden dort Produktivitätssprünge von 20 Prozent erzielt." Nach Angaben des bürgerlichen Ökonomen Jeremy Rifkin gingen zwischen 1995 und 2002 in den 20 größten Volkswirtschaften der Welt über 35 Millionen Jobs verloren und das obwohl gleichzeitig die Industrieproduktion der Welt um 30 Prozent anstieg. Das bedeutet, dass die Krise des kapitalistischen Systems eine Krise des Überflusses ist. Weil diese Produktionsweise in der Lage ist, immer mehr Güter (die in der kapitalistischen Form als Waren produziert werden) mit immer weniger menschlichem Arbeitsaufwand herzustellen, stürzt die gesamte Gesellschaft in die Krise. Dies führt die Irrationalität der herrschenden Wirtschaftsweise handgreiflich vor Augen: Nicht weil zu wenig Lebensmittel, Gebrauchs- und Luxusgüter hergestellt werden können, wie in früheren Gesellschaftsformationen, droht das System in den Abgrund zu stürzen, sondern das genaue Gegenteil ist die Ursache. Doch durch diese Entwicklung entzieht sich das Kapital selbst seiner eigenen Grundlage. Denn die Quelle des Mehrwerts bildet auch weiterhin nur die im Produktionsprozess verausgabte Lohnarbeit, doch diese wird tendenziell durch die Entwicklung der Produktivkräfte immer überflüssiger. Es bestätigt sich also was Marx im dritten Band des Kapitals geschrieben hat: „Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapitals selbst." Das Kapital versucht nun diese Entwicklung durch die bereits erwähnte Finanzialisierung, also die Flucht in die Finanzmärkte und damit die Generierung fiktiven Kapitals zu umgehen. Dies hat sich in den vergangenen Jahrzehnten als das wichtigste Mittel gegen die Stagnation in der Produktion und der Investitionstätigkeit erwiesen. Statistisch belegen lässt sich dies unter anderem anhand der Entwicklung des Verhältnisses von Gesamtumsatz der US-Finanzmärkte zum Bruttonationaleinkommen der Vereinigten Staaten. Entsprach das amerikanische BSP 1960 noch 66,2 Prozent aller Umsätze der US-Finanzmärkte, so waren es im Jahr 2000 nur noch 1,9 Prozent! Dies verdeutlicht die enorme Ausweitung des Finanzsektors als Folge der Krise der Produktion. Doch damit lässt die Krise nur aufschieben und nicht beheben. Denn trotz der massiven Ausweitung dieser „Bubble-Ökonomie" bleibt die Entwicklung krisenhaft. Alle paar Jahre erschüttern Krisen die Weltwirtschaft:

• 1987 Börsenkrach\ • 1990 Zusammenbruch der Junk Bonds und Krise der US-Sparkassen\ • 1994 Verfall der US-Staatsobligationen\ • 1995 Tequilakrise\ • 1997 Asienkrise\ • 1998 Rubel-Krise und Brasilien-Krise\ • 2001 Platzen der „New-Economy-Blase".

Doch all diese Krisen bleiben regional oder sektoral begrenzt. Dies ist der Unterschied zum jetzigen Krisenverlauf. Nun hat es weltweit alle Bereiche der Kapitalakkumulation getroffen. Die Krise der Produktion ist nun also auch im Finanzsektor angekommen, und dies synchron auf der ganzen Welt. Aufgrund dieser Dramatik ist es momentan reine Spekulation, ob es den staatlichen Krisenmanagern mit ihren Billionen-Beträgen gelingen wird eine neue Blase zu generieren und damit die eigentlich auf der Tagesordnung stehende Zusammenbruchskrise des Kapitals erneut aufzuschieben. Doch eines wissen wir sicher: Von alleine wird sich nichts zum Besseren wenden. Ohne die bewusste Tat der übergroßen Mehrheit der Menschheit wird ein Zusammenbruch der kapitalistischen Produktionsweise eher zur globalen Barbarei als zu einer emanzipatorischen Gesellschaft führen. Es bedarf der „selbständigen Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl um dieses Ziel zu erreichen. Dies formulierte der holländische Rätekommunist Anton Pannekoek 1934, in der damals heftigsten Weltwirtschaftskrise, folgendermaßen:

Die Selbstbefreiung des Proletariats ist der Zusammenbruch des Kapitalismus!

Stadtrundgang: Leiharbeit nicht verbessern - sondern abschaffen! \| 1. Juli \| 15 Uhr

25.06.2009

Am 1. Juli wollen wir - \"Leiharbeit nicht verbessern - sondern abschaffen!\" - mit einen Stadtrundgang auf das Thema Leiharbeit aufmerksam machen. Beim Rundgang werden wir neben den für die unsäglichen Tarifverträge verantwortlichen DGB, auch ein paar Zeitarbeitsfirmen einen Besuch abstatten.

WANN: 1. Juli 15 Uhr

WO: Hebelstr. 10 DGB-Haus

Bereits Anfang Juni wurde ein \"Offener Brief\" an den DGB verschickt mit der Forderung, dieser solle die Tarifverträge im Leiharbeitssektor kündigen und damit endlich das Prinzip \"gleicher Lohn für gleiche Arbeit\" durchsetzen.

Aktionsbündnis «Leiharbeit abschaffen»

A better life for you and me!

29.03.2009

Die große Krise führt es den Proletarisierten in aller Herren Länder eindringlich vor Augen: Sie produzieren eine Welt, die nicht die ihre ist und sich ihrer Kontrolle vollständig entzieht, im Aufschwung wie in der Krise. In den vergangenen Jahren hieß es: mehr Verzicht für bessere Zeiten. Jetzt heißt es: mehr Verzicht für weniger schlechte Zeiten. Auf den großen Demonstrationen in Berlin und Frankfurt am Main gegen die Abwälzung der Krisenfolgen auf dem Rücken der Proletarisierten, haben wir deshalb gemeinsam mit den Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft und der Gruppe K-21 ein Statement verteilt, in dem wir zu dem Ergebnis kommen, dass Hoffnung alleine in der Selbsttätigkeit der Ausgebeuteten liegt.

Leben für den totalen Markt?

15.03.2009

Gegen Leiharbeit und die fortschreitende Verschlechterung unserer Lebensbedingungen

Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter sind die ersten Opfer der Wirtschaftskrise. Nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft sind seit Ende des vergangenen Jahres bis zu 150.000 von ihnen entlassen worden. Damit endete der jahrelange Boom der Leih- bzw. Zeitarbeit, der im Juni 2008 mit 794.363 bei den Arbeitsagenturen gemeldeten LeiharbeiterInnen den Höhepunkt erreicht hatte. Für die Unternehmen war genau das der Sinn der Leiharbeit: In Zeiten des Aufschwungs wird die „Flexibilität" der Lohnabhängigen genutzt, um billige Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen; in Zeiten des Abschwungs dient sie dazu, diese Arbeitskräfte möglichst problemlos wieder entlassen zu können, wenn sie nicht mehr gebraucht werden.

Mit der Deregulierung der Beschäftigungsverhältnisse im Zuge von Leiharbeit und anderer Angriffe auf den Lebensstandard der Beschäftigten in den letzten Jahren wurde zunehmend zum frühkapitalistischen System von „Heuern und Feuern" zurückgekehrt. Gerade in der aktuellen Weltwirtschaftskrise erweist sich die Institution Leiharbeit als außerordentlich nützlich für die Unternehmen. Aber von Anfang an diente sie dazu, die sozialen Errungenschaften, Sicherheiten und Tarifverträge der Beschäftigten auszuhöhlen und aufzuweichen; diese Aufgabe hat die Leiharbeit in großem Umfang erfüllt.

Für die Beschäftigten bedeutet Leiharbeit eine nahezu völlige Abhängigkeit von den Schwankungen des Marktes. Die Leiharbeitsfirma „Manpower", die auch in Freiburg eine Filiale hat, spricht das ganz offen aus, wenn sie auf ihrer Homepage davon schreibt, dass es für Leiharbeiter vor allem darum gehe, mit „den Anforderungen des Marktes jederzeit Schritt [zu] halten." Der Mensch, reduziert auf die Verwertungsbedürfnisse des kapitalistischen Marktes, soll seine Existenz „jederzeit", das heißt einzig und allein, zum Nutzen der Unternehmen führen, die von seiner Ausbeutung profitieren. Die zynische, menschenverachtende Marktlogik wird in diesem Zitat auch durch den verharmlosenden Managementjargon, an den wir uns durch die bürgerlichen Medien schon fast gewöhnt haben, nur notdürftig verdeckt.

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Die Deregulierung des Arbeitsmarktes hat in Deutschland besonders die rot-grüne Regierung forciert. Hierfür steht unter anderem die sogenannte Agenda 2010 und das darin enthaltene „Arbeitnehmerüberlassungsgesetz", mit dem die Gesetzgebung zur Leiharbeit liberalisiert wurde. Aber auch die Gewerkschaften haben ihren Segen für diese „Überausbeutungsverhältnisse" gegeben, indem sie Tarifverträge in der Leiharbeitsbranche abschlossen und damit diese flächendeckenden Lohnsenkungen grundsätzlich anerkannten. Wenn Sozialdemokratie und Gewerkschaften heute die Massenentlassungen von LeiharbeiterInnen beklagen, dann beklagen sie nur die Auswirkungen der von ihnen selbst geförderten Entwicklung. Jetzt, in der Wirtschaftskrise, zeigt sich, wie fatal es war, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter die Angriffe der letzten Jahre nicht erfolgreich abwehren konnten. Auf dem Boden des deregulierten Arbeitsmarkts werden Beschäftigte noch stärker ausgebeutet als vorher und müssen sich immer schlechteren Arbeitsbedingungen anpassen, um nicht ganz arbeitslos zu werden.

Leiharbeit ist allerdings nur ein Beispiel für die seit Jahren immer weiter voranschreitende Prekarisierung unserer Lebensverhältnisse. Während auf der einen Seite unsere Arbeitsverhältnisse immer unsicherer werden, etwa durch befristete Verträge, Mini- oder Midi-Jobs, ausufernde, oft unbezahlte Praktika und ähnlichem, werden gleichzeitig die sozialen Absicherungen immer weiter abgebaut. Die staatliche Rente reicht nur noch für eine Basissicherung auf Sozialhilfeniveau, wenn wir nicht „privat vorsorgen". Die Arbeitslosenversicherung führt nach einem Jahr direkt zu den verarmenden ALG-II-Sätzen. Die Unis verlangen jedes Semester Studiengebühren, und auch in der Gesundheitsversorgung werden Leistungen immer weiter abgebaut. Der Gang zum Zahnarzt kann heute schon ruinöse Folgen haben.

Aber warum werden unsere Lebensbedingungen immer schlechter, wenn auf der anderen Seite die Gesellschaft immer mehr Güter in immer kürzerer Zeit produzieren kann? Warum wird nicht für unsere Bedürfnisse produziert, damit alle ein gutes Leben haben können? Die Ursache dieses Missstands liegt in der Logik der kapitalistischen Gesellschaft begründet. Der Konkurrenzkampf zwingt die Unternehmen dazu, die Ausbeutung immer weiter zu verschärfen, um auf dem Rücken der Beschäftigten die Profite stabil zu halten. In Zeiten der Krise wird dieser Zwang noch einmal massiv verstärkt. In einer Gesellschaft, in der sich alles nur um die Verwertung des Kapitals dreht und ökonomische Effizienz das wichtigste Prinzip überhaupt ist, ist das Gedeihen der Kapitalverwertung wichtiger als die alltäglichen Bedürfnisse der Menschen. Darin sind sich von den politischen Parteien über die Medien bis hin zur Justiz so gut wie alle sozialen Kräfte und Institutionen einig. Sogar die scheinbaren Kritiker des Systems, die reformistischen Linken und die Gewerkschaften, stützen das System, solange sie die Grundprinzipien des kapitalistischen Regimes nicht in Frage stellen. Wer sich auf die Logik des Kapitalismus einlässt, lässt sich immer schon auf eine Logik der Ausbeutung, der Entfremdung, der Unterdrückung und der politischen Entmündigung ein. Auch der Staat, von dem sich viele jetzt die Rettung der kapitalistischen Wirtschaft erhoffen, ist ein fester Bestandteil dieser Logik.

Die einzigen gesellschaftlichen Kräfte, die eine Alternative zu den neoliberalen Deregulierungen einerseits und den halbherzigen Reformen der Staatslinken andererseits darstellen, sind die Opfer der Verhältnisse selbst, also wir alle. Niemand kann uns die Aufgabe abnehmen, diese Verhältnisse endlich zu überwinden. Keine Stellvertreterinstitution, kein Staat, keine Partei und keine Gewerkschaft kann das für uns erledigen. Und selbst da, wo es zunächst einmal nur darum geht, konkrete Angriffe auf unseren Lebensstandard abzuwehren, sind wir selbst die einzigen, auf die wir uns verlassen können. Nicht einmal für die kleinsten Reformen ist der Reformismus brauchbar. Denn auch wenn er manchmal kleine Erfolge erzielt, kann er diese Erfolge aufgrund seiner Einbindung ins System im Zweifelsfall doch nicht dauerhaft verteidigen. Sobald er sich nämlich auf die Regeln der bürgerlichen Gesellschaft, auf Parlamentarismus, Lobbyismus und die Anerkennung durch das System einlässt, muss auch er sich den Grundregeln der Gesellschaft, dem Kapitalprinzip, unterwerfen. In der Krise bedeutet das zwangsläufig, dass zuallererst das bedrohte Kapital gerettet werden muss, bevor man die kleinen Leute rettet, deren Bedürfnisse in der Krisensituation doch nicht ganz so wichtig sind. Wer das System nicht abschaffen will, kann es nur noch verwalten.

Wir können diese Verhältnisse nur dann überwinden, wenn wir unsere Stimme nicht abgeben, sondern selber aktiv werden. Während Leiharbeit als extreme Form kapitalistischer Lohnarbeit uns als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt gegeneinander ausspielt und voneinander isoliert, sollte es stattdessen darum gehen, uns solidarisch zusammenzuschließen und gemeinsam gegen die Angriffe auf unseren Lebensstandard und für die Verbesserung unserer Existenz zu kämpfen. Und weil unsere Existenz innerhalb des kapitalistischen Systems grundsätzlich nicht unseren Bedürfnissen nach Freiheit, Selbstbestimmung und Solidarität entsprechen kann, bedeutet der Kampf um bessere Lebensbedingungen am Ende immer auch den Kampf gegen die Bedingungen des Kapitalismus selbst.

La Banda Vaga, März 2009

A better life for you and me!

10.03.2009

Die große Krise führt es den Proletarisierten in aller Herren Länder eindringlich vor Augen: Sie produzieren eine Welt, die nicht die ihre ist und sich ihrer Kontrolle vollständig entzieht, im Aufschwung wie in der Krise. In den vergangenen Jahren hieß es: mehr Verzicht für bessere Zeiten. Jetzt heißt es: mehr Verzicht für weniger schlechte Zeiten.

»Wir zahlen nicht für eure Krise!«

Wie wahr: Wir wollen nicht mehr verzichten. Und wie illusorisch: Natürlich werden wir zahlen. Es gibt keine Krise des Kapitals, die nicht zuerst die Lohnabhängigen treffen würde. Es geht nicht nur um ein paar Milliarden, die »verzockt« wurden und für die nun »die Zocker« zahlen sollten:

Diese Krise ist keine Finanzkrise

Sie ist eine Krise der kapitalistischen Produktion selbst. Nicht verwertbare Überkapazitäten, die in einer vernünftig eingerichteten Gesellschaft im Interesse aller genutzt werden könnten, lassen seit langem die Profite der Industrie dahinschmelzen. Die Autoindustrie ist nur das drastischste Beispiel. Und weil diese übersättigte Produktion immer weniger Profite abwirft, rettete sich das Kapital in immer mehr Kredit und Spekulation. Bis plötzlich alles laut zusammenkrachte.

Als Retter in der Not erscheint der Staat. Wenn er aberwitzige Summen in die Banken pumpt, dann nicht, um die Reichen zu retten, sondern weil ein Zusammenbruch des Kreditsystems sofort zum Systemcrash führen würde. Der Staat handelt nicht im Interesse einzelner Kapitalisten, sondern als Staat des Kapitals: als Hüter einer Produktionsweise, die in der Krise offen zeigt, wie verrückt sie ist. Anders kann er und wird er nicht handeln.

Der Staat ist nicht die Caritas

Deshalb sorgt der Aufruf für diese Demonstration nur für zusätzlichen Nebel: Er appelliert an die Politik, einen »Systemwechsel« hin zu einer »solidarischen Gesellschaft« einzuleiten. »Wir überlassen den Herrschenden nicht das Feld!«, heißt es -- wirklich nicht? Alle Forderungen sind an den Staat gerichtet, der mit einem Handstreich die Krise bewältigen und zugleich alles verwirklichen soll, was sich ein Sozialdemokrat schon immer gewünscht hat: »umfangreiche Investitionsprogramme«, »sozialer Schutz schirm«, die »demokratische Ausrichtung von Wirtschaft und Banken«. Mehr Ökologie! Mehr Entwicklungshilfe!

Derselbe Staat, der auf die schleichende Krise der letzten Jahre mit Sozialkürzungen und dem repressiven Hartz-Regime reagiert hat, soll sich nun inmitten der schwersten Krise seit Jahrzehnten als Mutter Theresa aufführen.

Aber der Staat kann nicht unbegrenzt Geld in die Wirtschaft pumpen. Schon jetzt sind die schwächeren Staaten selbst in die Krise geschlittert: Zuerst war vom drohenden Staatsbankrott Islands die Rede, mittlerweile gelten Griechenland, Italien, Spanien, und die osteuropäischen Staaten als Wackelkandidaten, zuletzt gefolgt von Schleswig-Holstein. Schon ist die weitere Existenz der Eurozone in Gefahr.

Rette sich, wer kann

In der Krise ist sich jeder selbst der Nächste. Der Nationalismus hat Hochkonjunktur: Jeder Staat versucht, seine Industrie und damit sich selbst auf Kosten der rivalisierenden Industrien und Staaten zu retten. Die größte Gefahr besteht darin, dass die Ausgebeuteten dabei mitspielen. Hierzulande, wo es nicht einmal zur Solidarität im Betrieb reicht und die Leiharbeiter ohne jeden Widerstand auf die Straße gesetzt werden konnten, ist von grenzüberschreitendem Widerstand erst recht keine Spur zu sehen. Schlimmer noch: Die Gewerkschaften mobilisieren für die Loslösung der GM-Standorte vom amerikanischen Mutterkonzern -- und die Belegschaften trotten ihnen hinterher. So wie sie der Kapitalistin Schaeffler hinterher getrottet sind, als sie aus Angst um ihre Milliarden in die Fernsehkameras flennte. Jetzt Opfer bringen, damit es wieder besser wird -- diese Hoffnung übersieht, dass mit dem Aufschwung nur das Warten auf die nächste Krise beginnt.

Sozialdemokratische Wunschzettel für die bessere Lösung der Krise helfen auch nicht weiter. Mit Forderungen nach mehr Konjunkturprogrammen, härterem Durchgreifen gegen Steueroasen und ähnlichem Plunder wird nur der Staat gestärkt, von dem die Arbeiter nichts zu erwarten haben außer autoritärem Krisenmanagement und Nationalismus. Hoffnung liegt allein in der

Selbsttätigkeit der Ausgebeuteten:

In Chicago haben die gefeuerten Arbeiterinnen einer Fensterfabrik im Herbst den Betrieb besetzt, um die Auszahlung ausstehender Löhne zu erzwingen.

In Bordeaux haben die Beschäftigen einer Sony-Fabrik kürzlich Manager als Geiseln genommen, um höhere Abfindungen bei der anstehenden Werksschließung durchzusetzen.

Auf Guadeloupe hat eine autonome Bewegung mit Generalstreiks und Barrikaden höhere Löhne erstritten; das Beispiel macht Schule, auf den französischen Antillen herrscht seit Monaten sozialer Aufruhr.

In Griechenland haben zig Tausende Schüler und Studentinnen, prekäre Arbeiter und Immigrantinnen über Wochen hinweg eine Massenrevolte veranstaltet, deren Rückgrat autonome Versammlungen in besetzten Gebäuden war.

Wenn die Proletarisierten in der Krise für ihre Interessen kämpfen, sollten sie dies ohne Illusionen tun:

Es gibt keine »soziale« Krisenlösung

Jeder erfolgreiche Kampf von Arbeiterinnen wird die Krise zuspitzen: Wer Entlassungen verhindert, torpediert die Sanierung gebeutelter Unternehmen; wer der staatlichen Armutsverwaltung mehr Geld abpresst, verschärft die Finanzkrise des Staates.

In der globalen Gleichzeitigkeit der Krise liegt eine gewaltige Chance. Die ersten Betriebsbesetzungen, die autonomen Versammlungen in Griechenland, die Revolte auf den Antillen könnten der Vorschein einer Bewegung sein, die weiß, dass sie selbst ihre Tageskämpfe nur dann entschlossen führen kann, wenn sie sich nicht an ein zusammenbrechendes System und seine staatlichen und gewerkschaftlichen Verwalter kettet; die weiß, dass die ungeheuren Produktivkräfte, an denen der Kapitalismus erstickt, zum ersten Mal in der Geschichte ein Leben ohne Schinderei und ohne Mangel für alle möglich machen; und die weiß, dass es allein an ihr ist, diese Möglichkeit Wirklichkeit werden zu lassen.

Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft (Berlin)\ www.klassenlos.tk

Gruppe K-21 (Frankfurt/Main)

La Banda Vaga (Freiburg)\ www.labandavaga.org

März 2009